Die Letzten: „Kabinenwähler“
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Das Wort „Kabinenwähler“ kam deshalb zustande, weil ich verlangt habe, dass eine Wahlkabine vorhanden sein muss.
Aber der Reihe nach. Der Crocker Bürgermeister war angeblich gut vorbereitet für die anstehende DDR-Kommunalwahl 1984. So erzählte er mir es stolz. Auf meine Frage, ob es auch eine Wahlkabine gibt, schaute er mich ungläubig an und meinte, dass sie so etwas in Crock nicht brauchen. Allen geht es gut, warum dann eine Wahlkabine? Ich: „Wenn keine Wahlkabine vorhanden ist, gehe ich auch nicht zur Wahl.“ Zerknirscht zog er von dannen.
Tage später, herrliches Sonnenwetter. Ich traute meine Augen nicht. Vor dem Gemeindebüro schrubbte eine Gemeindearbeiter drei riesige Tafeln mit den Farben der DDR-Fahne. Auf meine Frage, was er da macht, antwortet er kurz: Sie wollen doch eine Wahlkabine und da mussten wir diese vom Boden des Gemeindebüros herunter holen und säubern. 3 Tage standen diese Tafeln dann in der Sonne, um zu trocknen. Dann wurden diese in das Wahllokal geschleppt und aufgestellt. Innen wurde ein Tisch gestellt und eine Wolldecke aufgelegt. Ein Bleistift an einem Bindfaden befestigt und nun seht zu, wie ihr mit dem Bleistift und der Wolldecke zurecht kommt.
Weiter unter liest man dann Bericht, wie es zu meinem Wahlgang am 5. Mai 1984 zugegangen ist. Ich habe dann die Wolldecke weggeschoben, alle Kandidaten durchgestrichen und auch die drei Buchstaben DDR. Da wir die Letzten waren, lagen unsere Stimmzettel ganz oben auf. Ich hatte mich mit meiner Frau abgesprochen, dass sie nichts macht.
Am nächsten Tag ruft der Bürgermeister über die Straße: „Wer von Euch war das?“ Antwort: „Soviel ich weiß, war es eine geheime Wahl.“ Damit war das Thema vorläufig beendet. Fünf Jahre später wurde es noch toller und zur 1. Freien Wahl nach der Wende hatte ich dann das größte Wahlplakat mit der Aufschrift: „Wir wollen keinen roten Pfarrer.“
Die letzten Wähler
Ich hielt es zu den Wahlen in der DDR immer so, dass ich erst meine drei Gottesdienste mit der Gemeinde feierte und mich dann langsam in das Wahllokal begeben habe. Meistens war die Wahl gegen 12 Uhr „durch“ und dann musste man eben stundenlang auf den Pfarrer warten. Da hatten alle aber einen Hals.
In der Stasiakte lese ich:
Pünktlich um 16:15 kam die Familie Ziegner (Pfarrar). Gegen 16:00 Uhr suchte ich nochmals persönlich die Kabine auf um mich zu informieren, ob alles in Ordnung sei. (Auch das Bleistift war noch ordnungsgemäß an einer Schnur befestigt und vorhanden. – Beide legten ihre Wahlbenachrichtigungen vor. Und erhielten ihre Wahlscheine. Zuerst ging er, nahm provogatorisch seinen Kugelschreiber und ging hinter der Kabine. Kam nach einer 3/4 Minute zurück, gab seiner Frau den Kugelschreiber und warte am Ausgang. Seine Frau kam zurück, ich dankte ihr als sie ihre Stimmzettel einwarf, darauf sagte sie, bitte, die letzten – auf Wiedersehen. Bei der Auszählung waren auf … Stimmzettel alle Kandidaten durchgestrichen. (Unleserliche Unterschrift)
26.04.84 Annahme der Wahlbenachrichtigung erst nach individueller Gesprächsführung durch den Bürgermeister. Wird nicht vor 16:00 Uhr wählen, da er 3 Gottesdienste in Vorbereitung der Konfirmation durchführen muß. (FiM G. Bauer/ Gen. Klett)
06.05.84 Kabinenwähler – „Symbol 84“
Bei Wahlen am 06.05.84 gegen Kandidaten der Nationalen Front gewaehlt / Bruder … nach BRD übergesiedelt.