Festansprache Crocker Schuljubiläum 1991

„Wir stehen vor einem Scherbenhaufen“

„Ansprache von Pfarrer Ziegner zur 400-Jahr-Feier der Crocker Schule:
Nachdem uns im Verlauf der vergangenen Wochen zahlreiche Anfragen bezüglich der umstrittenen Rede von Pfarrer Johannes Ziegner auf der Festveranstaltung zum 400jährigen Schuljubiläum in Crock erreichten, veröffentlichen wir die Rede, die in dem Bericht über das Ereignis nur auszugsweise und unvollständig widergegeben werden konnte, nachstehend im vollen Wortlaut.

Nach den Worten meiner Vorredner (Bürgermeister und Schuldirektor) möchte ich (Pfarrer Johannes Ziegner) meine Ansprache ungeschützt daneben stellen. Der Hörer möge dann selbst entscheiden.

Liebe Gemeinde, liebe Gäste!

Vor zwei Jahren haben wir hier mit einem großen Fest der 500-Jahrfeier dieser St.-Veits-Kirche gedacht. Nach dem Gottesdienst ergab sich ein kurzes Gespräch mit den Mitarbeitern von der Abteilung Inneres vom Rat des Kreises. Unter anderem sagten sie damals: „Nun, Herr Ziegner, jetzt gibt es nichts mehr zu feiern.“ Darauf ich: „Doch, die 400 Jahrfeier der Schule.“ Die Antwort: „Das feiern sie nicht. Das ist unser Fest.“ Die Abteilung Inneres sollte recht behalten.

Wehte der Geist dieser Worte nicht bis in diese Festwoche hinein? Doch vor 112 Jahren durfte der damalige Pfarrer die neu erbaute Schule im Ort einsegnen. Und 320 Jahre lang hat die Ortskirche den Lehrer besoldet und war für die Erhaltung der Schule, sowie für die Beschaffung der Unterrichtsutensilien verantwortlich.

Die Freude über ein solches Jahrhundertereignis wird zumindestens bei mir durch die letzten 40 Jahre getrübt. Es fällt schwer, die ganze 400 jährige Geschichte der Crocker Schule im Blick zu behalten, weil die letzten vier Jahrzehnte zu tiefe Wunden geschlagen haben. Die Aufarbeitung dieser ganz speziellen Vergangenheit liegt mir am Herzen, um wieder Frieden in das Verhältnis Schule und Elternhaus zu bringen. Es geht um unsere Kinder, die wir auf einem neuen Weg, in eine neue Zukunft begleiten wollen.

Fast zwei Jahre ist die friedlichste Revolution aller Zeiten nun schon alt. Das Volk hat sich auf einen neuen Weg begeben, doch die Vergangenheitsbewältigung darf hierbei nicht beiseite geschoben werden. In dieser Richtung hat sich im Schulwesen bisher am wenigsten getan. Die neuen Köpfe sind oft die alten geblieben. Und trotzdem hört man Worte wie: Ich habe mit der Vergangenheit abgeschlossen; ich bin kein Wendehals, sondern ein völlig neuer Mensch. Schön, wenn mancher das von sich sagen kann. Nur ich kann gerade das im Moment nicht glauben. Ist es doch gerade der wundeste Punkt in der ganzen Vergangenheitsbewältigung, daß es gerade diesen wieder am schnellsten gelingt, sich in kürzester Zeit mit einer neuen Regierung zu arrangieren.

Hatten sie es nicht im alten System gelernt, sich anzupassen oder sich unauffällig zu verhalten? Machte man für die eigene Karriere nicht Zugeständnisse und arbeitete auch mal für die Staatssicherheit? Doch was uns alle gleichermaßen traf, war die Deformation des Bewußtseins und die Vergewaltigung des Gewissens. Unzählige haben in dieser langen Zeit genau das verloren, was als die Freiheit des Gewissens zu bezeichnen wäre.

Was wird nun mit denen, die unter diesem vergangenem System seelisch krank geworden sind? Was ist mit jenen Lehrern, die es ehrlich meinten und nicht übertreiben wollten mit der Ideologie und die Freiräume für die Kinder gesucht haben? Wer gibt ihnen ihre Nerven zurück, die sie dabei gelassen haben? Wer arbeitet das Problem des gegenseitigen Anzeigens innerhalb der Lehrerschaft auf? Warum wurden Christen oft genug von Formen der höheren Bildung und höheren Positionen ausgeschlossen? Beispiele hier zu nennen ist oft nicht möglich, weil vieles so nicht zu greifen ist, es passierte unterschwellig subtil, hinter dem Rücken anderer.

Wir stehen vor einem Scherbenhaufen an der Schwelle zu einem neuen Schuljahrhundert. 40 Jahre geistige Verwüstung läßt sich eben nicht in zwei Jahren in Ordnung bringen und nach wie vor, so hat es unser Landesbischof formuliert: „Nach wie vor wird der Neuanfang im Land durch Überreste der stalinistischen Ideologie behindert.“ Wie gehen wir damit um? Vielleicht so, daß Eltern schon wieder Angst vor einem Bildungssystem haben, in dem sich in den neuen-alten Köpfen festgefahrene Strukturen nicht auflösen?

Von der angeblichen Gesprächsbereitschaft im Sozialismus, zwischen Kirche und Staat, die ja nur allzu oft öffentlich gepriesen wurde, war gerade im Bildungsbereich nichts zu spüren. Heute muß deshalb vieles nachgeholt werden, damit man nicht in Festschriften über einander schreibt, sondern miteinander redet. Sicher ist die Empfindlichkeit gerade hier groß, die seelische Haut besonders dünn. Wie gehen wir damit um? Ich will versuchen, darauf Antworten zu geben.

Könnte es nicht sein, daß man Fehler eingesteht, sich die Schule öffentlich entschuldigt, für das, was an Unrecht geschehen ist? Es kann doch nicht sein, daß alles so weiter geht, als wäre das Vorausgegangene, 40 Jahre sozialistisches Bildungssystem mit allen Härten, nicht gewesen.

Könnte es nicht sein, daß die Schule in einem offenen und ehrlichen Gespräch
mit den Eltern Vergangenes aufarbeitet und gemeinsam einen neuen Anfang sucht? Es geht doch nicht, daß gerade bei der derzeitigen Überprüfung der Lehrer mit einmal nur vom Glück und der Zukunft von Lehrerfamilien gesprochen wird, die auf dem Spiel stehen. Wie oft haben 150% Lehrer in der Vergangenheit nach dem Glück und der Zukunft von christlichen Familien und Kindern gefragt, die sich auf Grund ihrer Einstellung eben dem vergangenen System nicht angepaßt haben?

Könnte es nicht sein, daß nach 40 Jahren Kirchenfeindlichkeit die Kirche nun wieder Eingang auch in unsere Schule findet? Die christlichen Lehrer, die bis 1914 und darüber hinaus hier ihren Dienst oft unter unsäglichen Mühen getan haben, haben nie vergessen, daß die ihnen anvertrauten Kinder Geschöpfe Gottes waren. Von dieser Grundeinstellung her sind sie mit ihnen verantwortlich umgegangen.

Wie gehen wir mit unserer Vergangenheit um, wenn wir nun in ein neues Jahrhundert Schule blicken? Mit Freude habe ich in den Biografien vergangener Lehrergenerationen gelesen, daß sie im Glauben an den Schöpfer aller Dinge gemeinsam mit der Kirche und dem Gemeindevorstand die Geschicke der Crocker Schule Jahrhunderte geleitet haben.

An der Schwelle eines neuen Jahrhunderts dieser hiesigen Schule, stelle ich mir eine Schule vor, in die unsere Kinder wieder gern gehen, in der sie alles lernen können, wonach sich ihre Herzen sehnen. Eine Schule, in der Kinder wieder ihre Meinung sagen dürfen, ohne dafür Nachteile in Kauf nehmen zu müssen. Ich stelle mir eine Schule vor, in der Lehrer wieder Persönlichkeiten sind, zu denen die Kinder mit Achtung aufblicken können.

Ich stelle mir eine Schule vor in der Eltern nicht bedenkenlos alles mitmachen, sondern wieder offen und kritisch den Bildungsweg ihrer Kinder begleiten. Ich stelle mir eine Schule vor, in der Lehrer, Eltern und Schüler ehrlich miteinander umgehen.

Ich wünsche der Crocker Schule den Segen Gottes für einen Neuanfang. 400 Jahre Schule in Crock, das sind 400 Jahre Vergangenheit. Blicken wir nun gemeinsam nach vorn und sind wir alle bereit das zu tun was nötig ist,  damit wir über die Wunden der vergangenen Jahre gemeinsam hinweg kommen. Danke.“

Ansprache Pfarrer Ziegner Schulfeier 1991

Ansprache Pfarrer Ziegner Schulfeier 1991

Wie kam es zu meiner Ansprache anläßlich des Schuljubiläums in Crock? 
Hier in Wort und Bild ein Ausschnitt.

Ansprache Pfarrer Ziegner Schulfeier 1991

Kommentierung Zeitung „Freies Wort 1991“

Schatten der Vergangenheit über Crocker Schuljubiläum
Neues Unrecht darf nicht sein!
Bandekow: „Wir bekennen uns.“
Ziegner: „Alte Köpfe sind neue Köpfe!“

Über die am Montagabend in der St.- Veits – Kirche stattgefundene Festveranstaltung anlässlich des 400jährigen Jubiläums der Crocker Schule wird in der Gemeinde und darüber hinaus noch lange gesprochen werden. Im Beisein von Thüringens Sozialminister Dr. Hans-Henning Axthelm geriet der offizielle Höhepunkt der Feierlichkeiten nämlich keineswegs nur zu einem Hohelied auf die 400jährige Historie des 1591 mit einer Lehrerwohnung begründeten Schulstandortes Crock. Die Ansprachen von Schuldirektor Werner Bandekow einerseits und Ortspfarrer Johannes Ziegner erzeugten in ihrer Gegensätzlichkeit der Auffassungen zu den zurückliegenden 40 Jahren Bildungspolitik in der DDR eine bis zum Bersten gespannte Atmosphäre, die den eigentlichen Anlass der Reden vergessen und die Feierlichkeit in den Hintergrund treten ließ. Die Schatten einer nach wie vor und auch durch Fragebögen nicht zu bewältigenden Vergangenheit holt in Crock die Wirklichkeit ein.

Schuldirektor der Werner Bandekow hatte in seiner Festansprache die 400 Jahre Croker Schulgeschichte kurz Revue passieren lassen und war ausführlich vor allem auf die letzten 40 Jahre eingegangen. Die 10klassike POS habe, so der Direktor, eine Entwicklung mit sich gebracht, die erstmals nicht am Lande vorbei gegangen sei. Es habe aber neben Vorzügen auch manche Nachteile gegeben, die es nun mit dem vorläufigen Thüringer Bildungsgesetz zu beseitigen gelte. Bandekow bekannte, daß sich die Lehrer zu Erfüllungsgehilfen der Politik gemacht hätten und gegenüber den sich immer mehr ausbreitenden stalinistischen Strukturen zu unduldsam waren. Eine alleinige Verantwortung der Lehrerschaft für das in den vergangenen 40 Jahren Geschehene wies Werner Bandekow aber ab: „Wer den Lehrern daran die alleinige Schuld gibt, macht es sich zu  einfach. Wir Lehrer stellen uns der Vergangenheit und sind bereit, den Teil der Schuld zu tragen den wir haben“. Künftig müßten die Lehrer auf Seiten der Kinder und nur dort zu finden sein.

Ortspfarrer Johannes Ziegner brachte in seiner Ansprache deutlich zum Ausdruck, daß ihn die Entwicklung des Schulwesens seit der Wende nicht befriedigt. „Im Schulwesen hat sich am wenigsten getan, hier sind die alten Köpfe die neuen Köpfe“, sagte der Geistliche und warf der Lehrerschaft vor, sich am schnellsten wieder mit der neuen Macht arrangiert zu haben. An der Schwelle zu einem neuen Schuljahrhundert, so Ziegner, stehe man vor einem Scherbenhaufen, den die Deformation des Bewusstseins und die Vergewaltigung des Gewissens herbeigeführt hat. „40 Jahre Deformierung lassen sich nicht in zwei Jahren beseitigen“, sagte Ziegner. Er hätte sich von der Schule gewünscht, daß sie Fehler eingesteht und sich öffentlich entschuldigt für begangenes Unrecht. Zum Ende seiner in der bist du auf den letzten Platz gefüllten Kirche mit Beifall bedachten Rede wünscht sich Johannes Ziegner eine Schule, in der die Kinder wieder ohne Furcht ihre Meinung sagen können, in der ehrlich miteinander umgegangen wird und Gottes Segen für einen Neuanfang.

Auch der CDU Bundestagsabgeordnete Arnold Kriedner übte herbe Kritik an den Lehrern in der Ex-DDR: „Ich hätte mir gerade aus der Schule mehr Widerstand erwartet. Aber die Schule war der meisten biegsame Ort. Die Lehrer müssen bekennen, sich fast bis zuletzt einer Sache des Unrechts verschrieben zu haben.“ Kriedner verwies zugleich auch die große Chance, die in diesen Tagen und Wochen des Neubeginns liege. Politik jedenfalls so Kriedner, habe in keiner Schule gleich in welchem Teil Deutschlands mehr etwas zu suchen.

Die Referentin im Thüringer Kultusministerium, Cordula Engelhardt, katholische Christin und 20 Jahre selbst Lehrerin, hatte ihr vorbereitetes Redemanuskript weggelegt angesichts der kontroversen Ansprachen. Sichtlich gerührt sagte sie: „Die vergangenen 40 Jahre bestehen nicht nur aus schwarz-weißen Tönen, sondern auch aus einer Menge Grautöne. Die gilt es zu suchen, damit nicht neues Unrecht begangen wird. Wir sollten unsere einmalige Chance zum Aufbau eines neuen Schulwesens nutzen und uns vor allem die Ehrlichkeit bewahren, die sich heute durch diese Veranstaltung gezogen hat.“

Betrifft: Offener Brief an Pfarrer Ziegner, 14.06.1991
Lehrer zu Sündenböcken stempeln?

Lieber Herr Ziegner! Da wir uns seit Jahren persönlich kennen, wissen Sie, daß auch ich – wie die Mehrheit meiner Zunft – unter der geistigen und seelischen Vergewaltigung von Lehrern und Schülern nicht wenig gelitten habe. Aber bei aller Berechtigung Ihrer Vorwürfe gegen die DDR-Schule und Ihrer Vorstellungen von einem künftigen Schulsystem schwingt mir doch zu viel persönliche Frustration in ihrer Rede mit. Obwohl ich Sie gut verstehen kann, vermisse ich ganz einfach den Geist der Bergpredigt

Durch sie, Herr Ziegner, lernte ich Solschenizyns erschütterndes Buch .»Archipel Gulag“ kennen, und mir wurde schmerzlich bewußt, wie sehr unkontrollierte Macht einerseits und kreatürlicher Selbsterhaltungstrieb andererseits die Psyche des Menschen deformieren können. (Ob Lenin ahnte, wie verhängnisvoll sich sein Verbot von Pressefreiheit und parlamentarischer Opposition auswirken würde?). – Daß Menschen sich in der Regel immer und überall den Gegebenheiten anpassen, dafür haben 40 Jahre Demokratie nach Ulbrichts und Honeckers Verständnis einmal mehr den Beweis geliefert. Fast alle haben wir z.B. in der geforderten Manier an „Wahlen“ teilgenommen, obwohl wir längst erkannt hatten, daß im Grunde genommen nur das Funktionieren unserer Feigheit getestet wird. (Ich weiß, daß Sie und Ihre Frau sich dieser Art Demütigung verweigert haben!).

Und aus Angst um die Zukunft ihrer Kinder haben auch Christen bei widerwärtigen Jugendweihegelöbnissen und entsprechenden Reden kaum einmal öffentlich protestiert. Und wenn Herr Kriedner in typischer Besserwessi-Art in Ihrer Kirche sagt, daß er gerade aus der Schule mehr Widerstand gegen das DDR-Regime erwartet hätte, dann ist das einfach dumm und arrogant; denn Lehrer waren schon zu Kaisers Zeiten Staatsdiener, ob sie wollten oder nicht…

Daß die neuen Köpfe im Schulwesen so oft die alten geblieben sind, glaube ich schon deshalb nicht, weil auch die Lehrer der DDR fast ausnahmslos Informationen und Denkanstöße von Westmedien bezogen, weil sie die daraus resultierende Doppelgesichtigkeit – das eine denken und das andere sagen – als erniedrigend und unehrlich empfanden…Natürlich dürfen wir mit wirklich schuldig gewordenen Lehrern nicht zu nachsichtig sein. Aber ich glaube an die Lernbereitschaft und -fähigkeit der meisten…

Vor etwa 20 Jahren hospitierte ein Schulfunktionär in einem meiner Elternabende und rügte anschließend, ich hätte fast nur über Wandertage gesprochen und wieder einmal die Chance vertan, die Eltern von der Notwendigkeit sozialistischer Erziehung zu überzeugen. Neulich sah ich ihn, er wirkte wie ein geprügelter Hund.

Meines Wissens hat die überwältigende Mehrheit der Lehrerschaft die Wende des Herbstes 1989 freudig begrüßt, und nicht wenige … haben aktiv an ihr mitgewirkt. Ich kann nicht einsehen, warum man uns pauschal zu Sündenböcken stempelt und wir uns ständig Asche aufs Haupt streuen sollen…

Nach wie vor habe ich größte Hochachtung vor Vertretern der Kirche, die der Menschenwürde wegen ein mieses Gehalt und Benachteiligungen ihrer Kinder in Kauf nahmen, daß sie von dem quälenden Gefühl der Ohnmacht, etwas ändern zu können, befreit wurden, daß die Kirche mit ihrer stetigen Bereitschaft zu Toleranz, zum Gespräch und zur Versöhnung auch verirrten Schafen Brücken baut. (Leicht gekürzt).

In diesem Sinne freundliche Grüße von Ihrer Gudrun Golz
Eisfeld, den 9. 6. 91.“

26.6.1991, Freies Wort
„Niemand zum „Sündenbock“ gestempelt!

Sehr geehrter Herr Pfarrer! Ihre mutige Rede in Ihrer Kirche, zu der ich Ihnen von Herzen gratuliere, hat im Blätterwald ein vernehmbares Rauschen verursacht. Dabei haben Sie doch die reine Wahrheit gesagt, wie wir das auch von einem Geistlichen gar nicht
anders erwarten. Endlich darf ja auch ein Pfarrer laut und vernehmbar Worte verkünden, die manch einem gar nicht sehr angenehm in den Ohren klingen, ohne daß er fürchten muß, schon am nächsten Tag vor die Abteilung „Inneres“ zitiert zu werden. Zur Sache: Ich habe Ihre Rede wiederholt gelesen, ja studiert. Sie haben niemand zu „Sündenböcken“ gestempelt, wie, „mit freundlichen Grüßen“ von Frau Golz zu lesen war. Der sogenannte„Eklat“ wurde wiederholt in Ihre Rede hineininterpretiert, was mir völlig unverständlich ist. Können überhaupt Geschehnisse, die sich vor aller Augen abgespielt haben, im nachhinein zu einem Eklat führen, wenn diese endlich aufgearbeitet werden sollen, müssen? Daß sich ein Teil der Lehrer, meiner ehemaligen Berufskollegen, auf die Füße, vielleicht sogar aufs Gewissen getreten fühlt, kann ich als besonders Betroffener nur zu gut verstehen.

Ich will versuchen, dies in aller Kürze zu skizzieren. Ich war 40 Jahre Lehrer, davon 25 in der atheistisch-sozialistischen Zeit, in welcher die kommunistische Erziehung festgeschrieben war. Ich war Kirchgänger, weigerte mich trotz Ultimatum, trotz seelischer Folterungen, trotz unzähliger Denunziationen meiner Kollegen Lehrer und Verhöre vor dem Schulrat, dem Pädagogischen Rat, trotz fortgesetzter Schikane der Schulinspektoren und Parteifunktionäre, aus der Kirche auszutreten. Kein einziger meiner Kollegen tat den Mund auf, als ich Monat für Monat vor der versammelten Lehrerschaft wegen meiner „Kirchenzugehörigkeit“ vermahnt und getadelt wurde. Warum schwiegen sie damals alle, heute erregen sie sich, wenn der Ortsgeistliche in seiner Kirche sie an ihre frühere Tätigkeit erinnert.

Verständlich, daß man gerne sähe, wenn der Pfarrer über das verhängnisvolle Geschehen an unseren Schulen all die langen Jahre jetzt den „Mantel der christlichen Nächstenliebe“ decken würde. Dazu rate ich ihm aber im Namen der Gerechtigkeit nicht! Aber er bietet Ihnen, uns allen, Gottes Segen für einen Neubeginn an. Mir scheint aber, daß zu eben diesem Neubeginn sich in den Herzen vieler meiner jetzigen Kollegen noch vieles ändern muß! Dazu am Rande, doch zur Sache gehörig, folgende Fakten: Wegen meiner o. a. „Kirchentätigkeit“ wurde ich trotz Oberstufenqualifikation nur in der Unterstufe beschäftigt. Keiner meiner Söhne erhielt einen Studienplatz. Meine unterrichtliche und auch außerunterrichtliche Tätigkeit (Chorleiter von Volks- und Kirchenchören) wurde dauernd überwacht.

Anläßlich unserer Goldenen Konfirmation im Jahre 1977 in Fehrenbach teilte mir in „strengster Vertraulichkeit“ ein Offizier der Stasi diese Fakten mit: „Deine Angelegenheit“ mit der Schule lag auf meinem Schreibtisch. Ich habe Dir für einige Zeit erst mal Luft geschafft. Ich rate Dir dringend einen Ortswechsel! Du verstehst! Es ist Dir doch bekannt, daß für Leute wie Dich und Deinen Sohn (Pfarrer) schon Plätze im Internierungslager bereitstehen!

Noch ein Wort zum Schluß, Herr Pfarrer. Ich habe all die Jahre Beistand erhalten durch unseren Ortspfarrer. H. H. Michels und Sup. Hornfeck. Vielleicht helfen Ihnen meine Worte jetzt auch ein wenig!
Hochachtungsvoll!
Werner Müller, Lehrer i. R.“.

5.6.1991, anonymer Brief
„Reaktion auf_4oo-Jahr-Feier-Schule-Crock

Ich schreibe als ehemaliger Schüler der Crocker Schule, meinen Namen möchte ich nicht bekannt geben, da auch meine Kinder wieder in Crock zur Schule gehen. Die Nachteile für meine Kinder wären abzusehen, falls dieser Beitrag veröffentlicht wird. Wir haben die 4oo-Jahr-Feier mit großem Interesse verfolgt. Auftakt war am Sonntag, den 26.5.91 14:oo Uhr der Festgottesdienst, die Kirche war gut besucht, aber nur 2 Lehrer nahmen an der Eröffnung der Festwoche teil. Hatten alle anderen Lehrer Angst, oder keine Zeit, oder kein
Interesse ??? Am  Montag, den 27.5.91 18.oo Uhr nochmals Festgottesdienst, da waren alle Lehrer anwesend, wie auf Bestellung. Es herrschte eine angespannte Atmosphäre…
In jedem Zuhörer schlummerte eine Erwartung. Ja, eine Erwartung was denn diese Festveranstaltung und Festwoche bringen wird. Die Reden der Einzelnen sind Ihnen liebe Leser bestens bekannt. Sie wurden ja auch verschiedenartig ausgewertet. Ich möchte nun aber aus vollem Herzen Herrn Pfarrer Ziegner und Herrn Kriedner zustimmen, denn auch ich habe erfahren, was es damals hieß Christ zu sein.

So mancher Berufswunsch scheiterte an der politischen Beurteilung der Schule. Wir männlichen Schüler wurden mit nervenzermürbenden Verhören belastet, betrifft Armeezwang und Dauer der Dienstjahre, so wie es eben auch in anderen Schulen üblich war. So waren die Verfahrensweisen der damaligen Zeit, denen wir Schüler ausgeliefert waren. Doch wann, wenn nicht zu solch einem Anlaß, sollte das in Erinnerung gerufen werden! Wir können diese schwere Zeit nicht einfach vergessen. Es wird so viel verschwiegen. Und dieses Recht darüber zu reden, daran zu erinnern, darf niemandem versagt werden, auch einem Pfarrer nicht!

Er selbst hat auch seine Erfahrungen gemacht. Wer weiß was seine Kinder durchgemacht haben, vielleicht gehen deswegen seine Kinder nun aufs Coburger Gymnasium.
Lesen und Schreiben haben uns „allen“ die Lehrer beigebracht, das war ihre Arbeit und das will ihnen niemand aberkennen. Dafür sind wir dankbar. Es gab auch schöne Stunden der Schulzeit. Aber es wurden auch Fehler gemacht und  wir leben in einer Zeit der Offenheit. Denn so mancher Lehrer hat ein Gewissen, und wenn nichts falsch gemacht worden wäre, hatten Sie Herr Lau auch in Ruhe schlafen können. Doch verhalten wir Christen uns als wahre Christen: „Verzeihen ist die beste Rache!“
Dankeschön.“

06.06.1991, Postkarte aus Coburg

„Sehr geehrter Herr Pfarrer!
Interessieren dürfte Sie, daß sowohl der Schulleiter als auch die Englischlehrerin nach unserer Unterhaltung beim Tag der offenen Tür das Gespräch mit uns suchten. Vorweg: Sie taten gut daran, Ihre Kinder so bald wie möglich nach Coburg zu bringen; meine Kinder wären da auch nicht gut aufgehoben! Was die Englisch-Fachkraft da zu zeigen hatte, liegt unter allem, was ich als Englisch-Fachleiter je mitbekam, ob bei einem Referendar oder in einer Kommissionsprüfung! Auch die Festschrift war interessant mit dem tollen Erfolgsbericht einer `Oberschule`, wo das Etikett so wenig stimmte wie z.B. S. 51 die Angabe: Jungvolkaufnahme mit Schuleintritt…Trotzdem wünsche ich Ihnen allen gute Entwicklungen! Mit freundlichen Empfehlungen! Ihr Rudolf Thiem.“

„Betrifft: Ziegner-Rede
Behutsame Differenzierung nötig

Ein „Altbundländer“ (welchen Begriff soll man eigentlich für uns finden?) tut gut daran, sich nicht allzusehr in interne Vorgänge der neuen Länder einzumischen, will er nicht den Vorwurf riskieren, er habe keine Ahnung. Und dennoch: Die intensive Diskussion um die Ansprache Pfarrer Ziegners läßt mir keine Ruhe. Sie ist nämlich nicht nur ein Einzelvorgang, sondern symtomatisch sowohl für die Notwendigkeit, als auch für die Schwierigkeit, die Vergangenheit aufzuarbeiten.

Ich habe die Jahre ab 1956 nicht mehr in der ehemaligen DDR erlebt, wohl aber eine
wichtige Zeit davor. Besonders bedeutsam war für mich sowohl in der Oberschule in Hildburghausen als auch in einer Fachschule in Leipzig das Verhalten meiner Lehrer. Um einem Einspruch vorzubeugen: Gewiß, es war noch eine andere Zeit als später, aber Stalin und Ulbricht hatten wir! Und in mancher Weise mag diese Zeit sogar gefährlicher gewesen sein. Ob also die Verhaltensmuster der 50er Jahre nicht doch den späteren ähnelten? Hiervon gehe ich aus, wenn ich sage: Ich habe viele Lehrer kennengelernt, besonders auch junge, nur von dem neuen Staat eingestellte. Und wie überall in der Gesellschaft gab es „solche und solche“.

Manche Lehrer erschienen uns „politisch gefährlich“. Man tat gut daran, sich mit ihnen zu arrangieren. Andere aber haben uns über viele Schwierigkeiten hinweggeholfen, durch Verständnis, Fairneß und durch so manchen Blick, so manche kleine Geste, denen die Gegnerschaft gegenüber dem Regime zu entnehmen war. Und es gab darüber hinaus viele, die sich zwar linientreu verhielten, von denen wir aber wußten, daß Negatives nicht zu befürchten war.

Diese Vielfalt der Verhaltensweisen hinterließ insgesamt bei mir ein positives Bild von meiner Schulzeit. Und wenn ich jetzt wieder daran denke, so scheint mir, daß es sowohl der Ansprache Herrn Ziegners als auch manchem Diskussionsbeitrag an behutsamer Differenzierung mangelt. Es darf aber nicht pauschal verurteilt werden, weder in der einen, noch der anderen Richtung.

Das Leben ist nicht schwarz oder weiß. Vieles bleibt grau. Und nicht jeder hatte die Kraft
zum Widerstand, ohne deshalb sogleich den Respekt zu verlieren. Das gilt sowohl für die
Schule als auch für die Kirche, nicht nur für eine der beiden Seiten, die jetzt Partnerschaft neu erlernen mögen. Ich wünsche mir eine Fortsetzung der wichtigen Diskussion, in der
man schließlich – bei aller Einhaltung gewisser Grenzen – einander annimmt. Denn das ist das Entscheidende. M. Weniger“

„Betrifft: Umstrittene Festrede in Crock
Gegen Pauschalverurteilung einer ganzen Berufsgruppe

Die Crocker Organisatoren hatten die Festveranstaltung „400 Jahre Schule in Crock“ in
lobenswerter Weise vorbereitet, sie hätte einen würdevolleren Verlauf verdient gehabt. Ich fand es sehr schade, daß diese Festveranstaltung durch den Bundestagsabgeordneten
Kriedner und durch Pfarrer Ziegner zur pauschalen Verurteilung des Wirkens der Lehrer
mißbraucht wurde. Sie befanden sich somit in den Fußtapfen von Ministerpräsident Duchac, der sich vor Monaten ebenfalls mit beleidigenden Äußerungen gegen die Lehrerschaft einführte.

Die Referentin im Thüringer Kultusministerium, Cordula Engelhardt, verwies zu Recht
darauf, daß die vergangenen 40 Jahre nicht nur aus Schwarz/Weiß-Tönen bestanden. Es trifft sicher für einen Teil von Schulfunktionären und Lehrern zu, sich schuldig gemacht zu haben, durch ihr Wirken auch eine Deformation des Bewußtseins und eine Vergewaltigung des Gewissens verursacht zu haben.

Aber wenn man undifferenziert den Lehrern unterstellt, sie hätten sich bereitwillig in den Dienst des stalinistischen Systems gestellt und sie müßten bekennen, sich fast bis zuletzt einer Sache des Unrechts verschrieben zu haben, so ist das für einen Großteil der Lehrer schlichtweg beleidigend. Ebenso wie es den Durchpeitschem der SED-Doktrin, die oft aus eigener Initiative noch eins draufsetzten, anzuraten wäre, sich zu entschuldigen, würden Herr Pfarrer Ziegner und Herr Kriedner gut daran tun, sich für ihre Pauschalverurteilung einer ganzen Berufsgruppe in dieser beleidigenden Form ebenfalls zu entschuldigen.

Hans-H. Langguth kommt in seinem FW-Artikel vom 1. Juni 1991 zur Erkenntnis, daß nicht jeder, der in der ehemaligen DDR Pädagoge war, ein Verbrecher ist, und daß es auch Lehrer gab, die sich humanistischen Idealen verschrieben hatten, auf der Seite der ihnen Anvertrauten standen. Und war der Anteil dieser Lehrer etwa gering? Das können ehemalige und jetzige Schüler sowie deren Eltern sicher sehr gut beurteilen. Es ist ein untaugliches Mittel, andere zu erniedrigen, um sich selbst zu profilieren.

Der Lehrauftrag bestand und besteht in der Einheit von Bildung und Erziehung, beides
zweifelsfrei positive Begriffe. Fachdifferenziert wurde von den Lehrern auch Wissen vermittelt, das lebensnah und für die Entwicklung der jungen Menschen bedeutsam war. Vor dem Wort „Erziehung“ stand bis zur Wende das Attribut „sozialistische“. Was der eine oder andere Lehrer daraus in seiner Unterrichtsstunde oder außerhalb machte, das war – wie die Schüler wissen – sehr variabel.

Ohnehin gab es keine sozialistische Mathematik, Physik, Biologie … die Schüler haben auch oft ihre Lehrer verstanden, wenn diese etwas nicht sagten oder den Beifall unterließen. Offene Aussprachen waren für viele Lehrer themenbezogen ein Balanceakt. Diejenigen, die es heute besser wissen, können doch nicht den perfekten Disziplinierungsmechanismus des SED-Regimes vergessen haben.  Wurde ein vertrauter Lehrer gefeuert und durch einen „linientreuen“ ersetzt, war der Nachteil für die Schüler offensichtlich.

Die Wende mußte so kommen, wie sie gekommen ist. Wir sollten das Vergangene sachlich aufarbeiten und uns den hohen Anforderungen zur Bewältigung der Gegenwart stellen, den Blick nach vorne richten. Unsere gemeinsam errungene Freiheit, die in Zukunft jeden ideologischen Zwang ausschließen sollte, erfordert Augenmaß, um sie zu verteidigen.

Bevor ich im Juli 1990 meine Wahlfunktion antrat, war ich 27 Jahre lang Berufsschullehrer bei Simson Suhl und gab vorwiegend den Fachunterricht für Kraftfahrzeugschlosser. Ich kann meinen ehemaligen Lehrlingen – es waren einige tau-
send – offen in die Augen sehen. Und ich weiß, wovon ich rede, wenn ich auch in meiner
jetzigen Funktion zu einem hohen Anteil der gegenwärtigen Lehrer Vertrauen habe.

Wilfried Ritter, Bürgermeister
von Brattendorf“

30.05.1991, Brief aus Coburg

„Sehr geehrter Herr Pfarrer Ziegner, Respekt und Anerkennung für Ihre Ausführungen zum Schuljubiläum in Crock! Sie haben sehr vielen Menschen aus der Seele gesprochen – auch mir. Bleiben Sie auf diesem Kurs. Pädagogen bzw. Lehrer ist nicht der richtige Begriff – Denunzianten wäre wahrheitsgetreuer. Aber: Gottes Mühlen mahlen, wenn auch langsam. In Anerkennung Ihrer Einstellung verbleibe ich mit freundlichen Grüßen B.-A. K.“

Südthüringer Tageblatt 29.05.1991
„Eigenen Weg ins Leben finden“
Festveranstaltung „400 Jahre Schule“ in Crock / Kontroverse Meinungen

CROCK (brü). Das 400jährige Schuljubiläum wurde am Montagabend bei einer Festveranstaltung in der Kirche zu Crock gewürdigt. Zahlreiche Gäste, darunter Thüringens Sozialminister Dr. Hans-Henning Axthelm, das Mitglied des Bundestages
Arnulf Kriedner (CDU), der Chef des Sozialressorts im Landratsamt, Dieter Poser, und der Schirmherr von Crock, Franz Prinz von Hohenzollern, nahmen daran teil.

Bürgermeister Helmut Pfotsch wünschte bei seinen Begrüßungsworten der Crocker Festwoche Erfolg und den Gästen angenehmen Aufenthalt in der Gemeinde, die sich gut auf die Feierlichkeiten vorbereitet hatte.

In seiner anschließenden Festansprache ging Schuldirektor Werner Bandekow auf den ereignisreichen geschichtlichen Entwicklungsgang der Schule in Crock ein. Die vergangenen vier Jahrzehnte wertend versuchte er, den guten Willen der Lehrer heraus-
zustellen, der die Arbeit in der Schule seit 1945 beseelt hätte. „Es sollte das
Gute und Edle vermittelt werden eingedenk der enormen Last, die das faschistische Regime hinterlassen hatte.“

Doch das lautere Streben der Lehrer – eine friedliche, von den ideologischen Irrungen der Vergangenheit freie Lebenseinstellung auf die ihnen. anvertrauten Kinder zu übertragen – sei von den neuen Machthabern fehlgeleitet worden. Das stalinistische System habe den freien Lehrerwillen vereinnahmt, viele Schulerzieher seien als Erfüllungsgehilfen mißbraucht worden. Der Redner schloß in der Gewißheit, daß die Mehrzahl der Lehrer den festen Willen hat, sich den Fehlern der jüngsten Vergangenheit zu stellen.
„Im verantwortungsbewußten Nachdenken wollen wir die notwendigen Schlußfolgerungen für die künftige Arbeit in der Schule ziehen und selbstbewußt mit den uns anvertrauten Kindern für eine gemeinsame demokratische Zukunft wirken.“

In seiner als Entgegnung angelegten Ansprache verwies der Crocker Ortspfarrer Johannes Ziegner darauf, daß die zurückliegenden 40 Jahre einschneidend auf die Hirne und Herzen der Schulkinder gewirkt hätten: „Die Kinder wurden zur Doppelzüngigkeit
erzogen, die Lehrer stellten sich bereitwillig in den Dienst dieses Unrechtssystems. 40 Jahre geistige Verwüstung haben tiefe Wunden in die Seelen geschlagen und dazu geführt, die Freiheit des Gewissens zu unterdrücken. Der hinterlassene Scherbenhaufen muß nun wieder mühsam beseitigt werden – fraglich ist aber, ob die Diener des totalitären Regimes, nun, da sie sich gewendet haben, dazu in der Lage sind.“

MdB Arnulf Kriedner unternahm den Versuch, beide Standpunkte ausgleichend zueinanderzuführen: „Die Schule war der am meisten biegsame Ort. Es geht nicht an, Menschen, die eine gemeinsame Zukunft gestalten wollen, geistig und seelisch zu diffamieren. Es geht darum, Schüler fähig zu machen, ihren eigenen Weg ins Leben zu finden.“

Den musikalischen Rahmen der Festveranstaltung gestalteten der Kirchenchor Crock und der Gymnasialchor aus Hildburghausen.“

10.11.1991, Brief von Ingrid Abramowski

„Lieber Herr Ziegner!
Haben Sie Dank für die Zeitungsausschnitte, die uns heftig amPolitik- und Kulturleben in Südthüringen teilnehmen lassen. Ihre Rede anläßlich der Feierstunde der Crocker Schule empfinden wir als ein aktuelles Stück Zeitgeschichte. Die zahlreichen offenen Briefe zeigen, wie tief Sie den Nerv der Menschen getroffen haben, und daß das alte System noch lange Spuren nach sich ziehen wird.

In uns sollte sich das Empfinden auslösen, sich nicht als Pharisäer in geborgener West-Entfernung zu fühlen. Leicht möglich und menschlich wären auch wir in gleicher Situation Angepaßte gewesen?

Das Gespräch und die Ehrlichkeit untereinander scheint die Lösung. Ich wünsche Ihnen, daß Ihre Worte Anstoß dazu sind.

Wir denken gern an unsere Besuche im Pfarrhaus Crock. Insbesondere weil wir immer sehr überfallartig erscheinen, danken wir Ihnen für Zeit, Tee und Gespräche, die uns immer erwarten. Sehr herzlich bieten wir Ihnen und Ihrer Familie unsere Gastfreundschaft im Rheinland an.

Mit den besten Grüßen an Ihre liebe Frau, Ihre Mutter und die Kinder verbleiben wir Ihre Ingrid und Peter Abramowski.“

30.5.1991, Coburger Neue Presse
„Sündenböcke der Nation

Zu dem Artikel „Eklat beim 400jährigen Schuljubiläum in Crock“ (Neue PRESSE vom 29.
Mai) erreichte uns folgender Leserbrief:

Der Direktor der Schule, Werner Bandekow, hielt zum400jährigen Crocker Schuljubiläum die Festansprache. Dabei scheute sich der Direktor nicht, gerade an dem für ihn ungewohnten Ort, der Kirche, über die oftmals in der Vergangenheit kontrovers geführten Problematiken Gedanken zu äußern. Ihm entgegnete in einer mit Spannung erwarteten Rede der Hausherr, Ortspfarrer Johannes Ziegner aus Crock. Nun wurde abgerechnet mit den Lehrern, nun wurde die Festveranstaltung zur 400-Jahr-Feier einer Schule mißbraucht, um abzurechnen mit den Sündenböcken der Nation, mit den Lehrern, deren ehemalige Chefin in Moskau ihren Mann pflegt, mit den Lehrern, deren in das Leben entlassene Schüler als deformiert bezeichnet wurden, mit den Lehrern, die auch den Kindern des Pfarrers Ziegner das Lesen und Schreiben  beigebracht haben,  die mittlerweile am Gymnasium in Coburg untergekommen sind.

Viele hatten diese „Predigt“ erwartet, denn die Veranstaltung zur Wahl des Elternvertreters, der über die Zukunft der Lehrer (während der nicht einmal vom Bildungsminister Ortleb gekannten „Überprüfungen“) sein Urteil zu fällen hat, ließ das erahnen.

Die Worte von Mitglied des Bundestages Arnulf Kriedner konnten dann unter der Lehrerschaft auch nicht überzeugen. Sozialminister Axthelm (Eisfeld) hatte es wahrscheinlich die Sprache verschlagen, er äußerte sich überhaupt nicht. Nach den Grußworten der Festgäste, die sichtlich um das Wohlergehen der Gemeinde Crock, um das friedliche Miteinander aller besorgt sind, kam doch noch Feststimmung auf. Das gab trotz unruhiger Nacht wieder Auftrieb, den Unterricht am nächsten Morgen mit neuer Kraft und „gestärkt“ durch die Festveranstaltung wieder aufzunehmen.

Hnas- Jürgen Lau (Lehrer)
Thüringer Lehrerverband
Mathematik/Physiklehrer
Oberschule Crock“

Herr Lehrer L., war ein besonders scharfer und roter Lehrer. Er wohnte bei sein Schwiegervater im Haus. Dieser war Kirchenältester in der Kirchgemeinde Hirschendorf. Er hat sich bei mir für seinen `roten` Schwiegersohn immer entschuldigt, wenn etwas „vorgefallen“ war.

08.07.1991, Briefausschnitt Irmgard Dudey

„Lieber Johannes, auf Dich kann man ja richtig stolz sein. Behalte Deine Kampfeslust! Hanna hat mir von Euch erzählt und auch vom allgesteuerten Schulwesen! Ich las gerade von Stephan Heym: „Auf Sand gebaut.“ besser als dieses Buch und Deine Drucksachen kann mann die Vorgänge nicht schildern…Habt alle einen guten Sommer und seid herzlich gegrüßt von Eurer Irmgard.“

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