„Ich alt Haus – halt noch lang aus.“
Aus meinem Tagebuch
August 1980: Im Sommer 1980 Einzug aus Erfurt mit Sack und Pack in das Crocker Pfarrhaus. Das Ankommen und der Einzug waren ein Erlebnis für sich.
September 1980: Ende September kommen die Dachziegel für die Neueindeckung des Pfarrhauses. Die alten Ziegel sind sehr kaputt und lassen Wasser und Schnee durch. Leider sind auch neue „Papp“-Türen ins Haus eingebaut worden. Die verziehen sich ständig, denn so ein altes Fachwerkhaus arbeitet seit 1574 immer noch.
März 1982: Nicht ganz so erfreulich verläuft das Problem mit dem Kirchenarchiv. Im März 1982 läßt es sich nicht mehr übersehen: Im Pfarrhaus muß dringend der Fußboden im Bereich des Archivraumes neu gestaltet werden. Der Fußbodenleger kommt. Danach beginne ich das Archiv am 19. März leer zu räumen. Das Crocker Archiv ist sehr umfangreich. Dienstschluß wieder einmal 23.00 Uhr. Dann besorge ich mit Trabant und Anhänger Holzplatten in Eisfeld und Fußbodenbelag in Hildburghausen.
Mai 1983: Renovierung der Fassade des Pfarrhauses. Der hintere Teil des Pfarrhauses ist nicht verschiefert und hat eine herrliche Fachwerkfassade. Auf einen Balken habe ich schreiben lassen, für alle, die vom Kirchweg kommen, deutlich sichtbar zu lesen: „Ich alt Haus – halt noch lang aus. 1574 – 1983“. Das hat immer wieder Diskussionen gegeben. Aber ich kann mit dem alten Haus zusammen nur darüber schmunzeln.
1574 wurde das Crocker Pfarrhaus gebaut, nachdem die Gemeinde evangelisch wurde. Es wurde am Dorfrand errichtet, nahe der Kirche, die 200 Meter entfernt auf dem alten Tingplatz der Kelten 1489 eine ältere Holzkirche ablöste und 50 Meter höher als der Ort Crock liegt. 1980 sind wir als neue Pfarrfamilie in das Crocker Pfarrhaus gezogen. Drei Jahre stand dieses wunderschöne alte und ehrwürdige große Haus leer. Es hatte sich kein Pfarrer gefunden. Mehr durch Zufall sind wir auf diese Pfarrstelle gestoßen. Das ist unsere Geschichte vom Einzug:
Meine Mutter hatte zum zweiten Mal geheiratet, nach Eisfeld bei Crock. Gleichzeitig musste ich mich nach meinem Theologiestudium irgendwo bewerben. Meine Mutter meinte, dass in Crock eine freie Pfarrstelle ist. Haus und Kirche in keinem guten Zustand, aber einen großen Garten und eine schöne Lage von Pfarrhaus und Kirche.
Mit der Bewerbung für die Pfarrstelle Crock erfahre ich, dass in dieser Pfarrstelle von 1925 – 1939 August Schwab Pfarrer gewesen ist. In 2. Ehe hatte er 1933 die Schwester meiner Großmutter Helene Ziegner, Julia Hinderer geheiratet und somit ist letztendlich wieder ein Stück Verwandtschaft in die alte Pfarrstelle Crock eingezogen.
Meine Bewerbung hat sich herumgesprochen. Es kommen schon die ersten Verwandten zum Pfingstfest. Sie wollen das zukünftige Domizil sehen und erleben ein innen völlig zerstörtes Pfarrhaus. In der Vakanzzeit hatte sich nämlich auch ein Pfarrer aus Bitterfeld beworben, der als Grundbedingung für den Einzug die Umgestaltung des Inneren im schwedischen Stil haben wollte. Also hatte der Gemeindekirchenrat damit begonnen, die alten Türrahmen mit den Holztüren und die Fenster herauszuschlagen. Als Kirchenälteste dann von dem damals neuen, zukünftigen Pfarrer wissen wollten, wie er sich nun die neue Aufteilung der Wände im Haus vorstelle, ward er nicht mehr gesehen. Von der Haustür konnte man somit bis unter das Dach sehen. So haben wir das Pfarrhaus vorgefunden.
Lockmittel: Zentralheizung
Herr Gerhard Geiger war damals Kirchenältester. Superintendent Hornfeck hatte, um einen neuen Pfarrer zu locken, eine Zentralheizung besorgt – nagelneu. Damit war man in der DDR König. In nur fünf Monaten wurde das Pfarrhaus durch die Gemeinde renoviert, nachdem sie wussten, dass ich kommen werde. Kacheln und Tapeten haben Freunde und Verwandte aus dem Westen zu uns gebracht. Da waren schon aufwendige Manöver notwendig. Mit dem Umzugstag am 31.7.1980 fanden alle Möbel ihren Platz in dem sehr großzügigen Pfarrhaus. Insgesamt 230 qm Wohnfläche mit einen sehr herrlichen Garten, der von unseren Kindern all die Jahre ausgiebig genutzt wurde.
Da es keinen vernünftigen Rasenmäher gab, um die 5.000 qm Pfarrhauswiese zu mähen, haben wir einfach Schafe angeschafft. Mit der dabei gewonnenen Wolle haben wir ein altes Handwerk in Crock wiederbelebt: Das Weben mit einem Webstuhl. Ältere Bürger, die dieses Handwerk noch konnten, haben es uns beigebracht.
Auch die Kirchenwiese (ehemaliger Friedhof der Kirchgemeinde bis 1936) war unendlich groß, so dass wir auch hier die Schafe zum „Mähen“ eingesetzt haben. Das hatte aber nicht allen gefallen. Auf meine Frage, wer es mähen will, hatte dann aber auch keiner die Hand gehoben. Die Schafe passten aber immer wieder gut in das biblische Bild.
Dank der tatkräftigen Hilfe von Edgar Eichhorn und der LPG-Technik konnte der Pfarrgarten aufgeräumt und neu eingezäunt werden. Die alten Sandsteine waren nicht mehr zu richten sowie teilweise abgebrochen.
Ein Pfarrer, der sich 1978 auf die offene Pfarrstelle beworben hatte, ließ alle Eichentüren entfernen. Sein Ziel war es, das alte Pfarrhaus im „Schweden Stil“ umzubauen. Nachdem alles entkernt, herausgerissen, und beschädigt war, war von dem Pfarrer nichts mehr zu sehen. 2 Jahre stand das kaputte Haus ohne Heizung und Wasser offen. Dann kamen wir. Der Urzustand wurde wieder hergestellt, nur die Türen waren weg. Superintendent Hornfeck auf dem Bild zeigt uns das Haus.
Nachdem der Gemeindekirchenrat und die Evangelische Gemeinde das Pfarrhaus für den Einzug wieder hergerichtet hatten, lag es jetzt an uns, die Zimmer zu gestalten.
Der Hauptgewinn war jedoch 1980 der Einbau einer Schwerkraftheizung!
Kirchenarchiv März 1982: Nicht ganz so erfreulich verläuft das Problem mit dem Kirchenarchiv. Im März 1982 läßt es sich nicht mehr übersehen: Im Pfarrhaus muß dringend der Fußboden im Bereich des Archivraumes neu gestaltet werden. Der Fußbodenleger kommt. Danach beginne ich das Archiv am 19. März leer zu räumen. Das Crocker Archiv ist sehr umfangreich. Dienstschluß wieder einmal 23.00 Uhr. Dann besorge ich mit Trabant und Anhänger Holzplatten in Eisfeld und Fußbodenbelag in Hildburghausen.
Da ich nun ordentlicher Pfarrer bin, wird mir das Pfarramt in ‚Bausch und Bogen’ durch das Kreiskirchenamt Meiningen übertragen. Das hat mich sehr verblüfft. Kein Abarbeiten von Inventarlisten oder sonstigen Nachweisen. Das ist für mich nicht vorstellbar. Was da jedesmal für ein finanzieller Schaden für die Kirche entsteht, denke ich mir so. Obwohl mein Vorgänger 37 Jahre in Crock Dienst getan hat, haben drei Jahre Vakanz ausgereicht, das Vorhandene so durcheinander zu bringen, daß keiner Lust hatte, das Übriggebliebene noch aufzuzeichnen oder zu archivieren.
Das Pfarrhausarchiv wurde während der Vakanzzeit aufgebrochen und mutwillig alles aufgerissen, was archivmäßig verpackt gewesen ist. Es besteht aber seitens des Kreiskirchenamtes bei der Übergabe kein Interesse an einer Aufklärung dieses Sachverhaltes, den alle gesehen haben. Beim genaueren Hinsehen stellt sich heraus, daß gezielt nach Briefmarken gesucht worden ist. 1994 habe ich sehr sorgfältig darauf geachtet, daß das Pfarramt auch wieder in ‚Bausch und Bogen’ zurück übergeben wurde.
Auszug aus meiner Stasiakte
Der IMB (Inoffizieller Mitarbeiter im besonderen Einsatz) „Peter Steinbach“ (Gerd Lindner aus Crock) schreibt:
„…Seine Wohnung ist im rustigalen Stil aber sehr komfortabel eingerichtet… Die Familienverhältnisse sind nach außen harmonisch geordnet. Probleme konnten nicht festgestellt werden. Aus der Ehe gingen bisher drei Kinder hervor. Der Ziegner hat noch drei Brüder. Wobei eine Anschrift im VPKA Hildburghausen (Volkspolizeikreisamt) nicht bekannt ist. Die Familie Z. unterhält umfangreiche BRD-Kontakte, wobei es bei den Einreisenden sich vorwiegend um kirchlich gebundene Personen handelt ….“
Hauptmann Scarbarth schreibt abschließend:
„…Die operativ bedeutsamen Informationen zu Ziegner müssen als objektiv und überprüft eingeschätzt werden. Der IMB Peter Steinbach gilt als zuverlässig und dem MfS gegenüber als ehrlich…“