Das Schulreferat im Landeskirchenamt

Was nun?!

Im Synodenprotokoll der Frühjahrssynode 1992 der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen findet sich der Beschluß TOP 5: „Der Landeskirchenrat wird beauftragt, die Stelle eines Referenten beim Ausbildungsdezernat für Bildung, Erziehung und Schulfragen einzurichten und baldmöglichst zu besetzen.“ (Annahme mit übergroßer Mehrheit).

Handschriftliche Anmerkung durch Oberkirchenrat L.Große unter den Synodenbeschluß: „…1.9.92 wieder vor, Ausschreibung…“. Referent W. S. merkt handschriftlich an: „…Was nun?!, wieder vor, 15.1.93“. Dieses Durcheinander sollte sich 10 Jahre fortsetzen. Da man mit Schulen und Religionsunterricht 40 Jahre lang keine Erfahrungen hatte, konnte man auch nicht erwarten, dass über Nacht alles geregelt ablief. Allein die Besetzung dieser Stelle, obwohl dringend nötig, zog sich fast zwei Jahre hin. Doch der Reihe nach.

20.02.1993
Ausschreibung der Schulreferentenstelle im Amtsblatt der Thüringer Landeskirche

„…Freie Referentenstelle. Der Landeskirchenrat der Evang.-Luth. Kirche in Thüringen sucht eine Referentin/einen Referenten für Bildung, Erziehung und Schule im Ausbildungsdezernat des Landeskirchenamtes. Bewerber/innen sollten über eine theologische und/oder pädagogische Hochschulausbildung und entsprechende Praxiserfahrung im Bildungsbereich verfügen. Sie sollten in der Lage sein, kirchliche Arbeit in Bildung und Erziehung im Bereich der Gemeinde und der Schule konzeptionell zu bedenken und daraus erwachsene Aufgaben im Ausbildungsderzernat zu bearbeiten. Die Vergütung erfolgt nach BAT Ost IIa bzw. Kirchenbeamtenbesoldung. Bewerbungen sind an das Landeskirchenamt der Evang.-Luth. Kirche in Thüringen, PSF 139, 0-5900 Eisenach, zu richten. Eisenach, den 6.1.1993 (A 830 b/6.1.)                                                      Der Landeskirchenrat i.V. W. S….“.

Das Aktenzeichen „830“ verfolgt mich bis heute. Unter eben dieser Zahl 830 wurde ab 1990 alles durcheinander abgeheftet, was zur Einführung des Religionsunterrichtes und der Gründung Evangelischer Schulen an Papieren zusammen kam. Es war schon nach kurzer Zeit nicht mehr möglich auch nur einzelne Schriftstücke zeitnah wieder zu finden.

20.02.1993
Eine Bewerbung geht ein!

Ein Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen, zugleich Synodaler, Multiplikator, Mentor, und Schulbeauftragter bewirbt sich schriftlich beim Landeskirchenrat. Dieser Bewerbungs-Prozess wird sich ein Jahr hinziehen, zum Nachteil des dringend einzurichtenden Religionsunterrichts im Land Thüringen.

Tagebuch Pfarrer Johannes Ziegner

„Im Amtsblatt Nr. 2 vom 20. Februar 1993 lese ich, dass der Landeskirchenrat der Evangelischen Kirche in Thüringen einen Referenten für Bildung, Erziehung und Schule im Ausbildungsdezernat des Landeskirchenamtes sucht. Die Ausschreibung passt. Ich rufe kurz danach bei Oberkirchenrat L.Große an und erkundige mich nach dieser Stelle. Doch, nachdem ich höre, dass sich ein Kollege schon beworben hat …, habe ich meine Bewerbung wieder zurück gezogen.“

10.08.1993
Aufgabenbeschreibung eines Referates Erziehung und Schule im Landeskirchenamt

Erst 2011 (!) entdecke ich durch Zufall die Aufgabenbeschreibung von Oberkirchenrat L. Große  von 1993 für das Referat Schule und Religionsunterricht. Diese wurde mir nie gezeigt. Oberkirchenrat L. Große formuliert in diesem Papier eine Aufgabenbeschreibung für einen zukünftigen Schulreferenten. Seine Ausführungen, immerhin 22 Arbeitsfelder, beziehen sich allein auf den Religionsunterricht. Die kommenden Evangelischen Schulen sind da noch nicht im Blick. Eine Evangelische Grundschule nahm zu dieser Zeit in Gotha aber schon den Schulbetrieb auf, zwei Evangelische Gymnasien haben Anträge zur Schuleröffnung für 1994 gestellt. Wer sollte diesen immensen Aufgabenbereich eigentlich wahrnehmen? Wenn ich das Papier zu Beginn 1994 gelesen hätte, wäre ich wahrscheinlich im Pfarramt geblieben.

20.12.1993
Tagebuch Pfarrer Ziegner
Vorstellungstermin im Landeskirchenamt Eisenach

„Anfang Dezember 1993 erreicht mich abends um 22:00 Uhr ein Anruf von Oberkirchenrat L. Große. Ich konnte damals noch nicht ahnen, dass diese Uhrzeit auch zu meiner „normalen“ Arbeitszeit gehören würde. Er fragt an, ob ich mir noch vorstellen könnte, die Schulreferentenstelle zu besetzen. Ich erbitte mir 3 Tage Bedenkzeit und nehme dann diese Stelle fernmündlich an: „…Doch, wir müssten nochmals genauer über die Stelle sprechen?…“ Das sagt der Oberkirchenrat zu. So fahren E. und ich nach Eisenach und und lassen uns die Stelle erklären durch Oberkirchenrat L. Große und seinen Referenten W. S. Ich habe dann für die Stelle endgültig zugesagt.“

04.01.1994
Wohnungsbesichtigungen in Eisenach

Obwohl es noch keinen Beschluss des Landeskirchrates gab, wurde ich, als zukünftiger Schulreferent, durch das Landeskirchenamt aufgefordert Wohnungen in Eisenach anzusehen.

13.01.1994
Landeskirchenrat „übernimmt“ Pfarrer Ziegner als Schulreferenten

Das war schon alles sehr interessant. Es gibt kein Bewerbungsschreiben, kein Bewerbungsgespräch, keine Klärung von Modalitäten. Nein, vielmehr ein Schreiben des Landesbischofs, in dem er mich nicht beruft, sondern übernimmt. Im Nachhinein muss ich sagen: nicht nur die Landesbischöfe, auch der Landeskirchenrat haben sich mir mir ganz schön „übernommen“. Ich war bereit mich auf Ungewöhnliches einzulassen und einfach loszulegen. Und ich habe losgelegt.
Der Landesbischof schrieb damals: „…Lieber Bruder Ziegner, auf Antrag von Herrn Oberkirchenrat Große hat der Landeskirchenrat in seiner Sitzung am 11.01.1994 den Beschluß gefaßt, Sie mit Wirkung vom 1. Juni 1994 als Referent in das Ausbildungsdezernat zu übernehmen. Sie werden dann für die Bereiche Bildung, Erziehung und Schule tätig sein. Wir möchten Ihnen diesen Beschluß mitteilen und bitten Sie, sich wegen Ihrer Dienstaufnahme usw. mit Herrn Oberkirchenrat Große in Verbindung setzen zu wollen. Ihre Übertragungsurkunde wird zu gegebener Zeit ausgefertigt und Ihnen ausgehändigt werden. In der Anlage übersenden wir ein Umzugskostenformular mit Merkblatt zur weiteren Verwendung. Mit freundlichem Gruß. H. Landesbischof…“.

26.01.1994
Mietvertrag

Ich unterschreibe für die Honsteinstraße 3 in Eisenach den Mietvertrag und zieht mit der Familie am 31.05.1994 mit „Sack und Pack“ von der Pfarrstelle Crock-Oberwind nach Eisenach um.

01.06.1994 (Kindertag)
Tagebuch Johannes Ziegner

Arbeitsbeginn im Landeskirchenamt: „…Ein leerer Schreibtisch steht im Zimmer, gegenüber der Sekretärin des Oberkirchenrats L. Große. Auf meine Frage an den Oberkirchenrat, was ich bearbeiten soll auf diesem leeren Schreibtisch, erhalte ich die Antwort: „Die Arbeit kommt von allein.“. Diese kam dann auch gewaltig.

Tagebuch Johannes Ziegner

„…Allein habe ich diesen Arbeitsbereich begonnen, nur notdürftig ausgerüstet. Verlassen auf gesicherte Informationen und inhaltliche Hilfestellung konnte ich mich aber jederzeit auf meinen Kollegen W.S.. Er war zwar von keiner Aufgabe so richtig begeistert und hat vielem schon im Vorfeld die Vision genommen, aber trotzdem hat er alles vom Nachbarschreibtisch aus mit begleitet und mit verteidigt. Das war für mich und das neue Aufgabenfeld überaus wertvoll. Danke!“

Nach 10 Jahren Dienst hatte ich acht Mitarbeiter im Büro, eine jährliche Refinanzierung durch das Kultusministerium in Höhe von 10 Mio. Euro im Jahr zu verwalten, 400 Lehrer in den Evangelischen Schulen und 600 Religionsunterrichtende aus dem kirchlichen Bereich im „Blick“ zu behalten. So ist es auch nur zu erklären, dass ich 9.938 „Überstunden“ angesammelt habe und kilometermäßig 10 mal um die Welt in dieser Zeit nur im Freistaat Thüringen gefahren bin… Die Überstunden durfte ich nie abbummeln. Mein letzter Vorgesetzter OKR C.W. im Landeskirchenamt hat es dann ernsthaft so formuliert: „Überstunden sind Hobby!“

Nach Dienstschluß, 2001

Nach Dienstschluß, 2001

Das Team. In der Mitte der Schulreferent!

Das Team nach 10 Jahren Schulreferat. In der Mitte der Schulreferent!

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