„Gothaer Allgemeine“ 2016

„Als die Russen kamen“

Schüler drehen auf Siloah-Gut Neufrankenroda Dokumentarfilm zum Buch „Ich will Bauer werden“. (von Wieland Fischer)

„Neufrankenroda. Eine Sowjetfahne, knallrot mit Hammer und Sichel, hängt am Eingang zu „Siloah“. Wo sonst christliche Pfadfinder und andere Gruppen ein- und ausgehen, ist das Rad der Geschichte um 70 Jahre zurückgedreht. Johannes Ziegner dreht mit Schülern eine Dokumentation über die Kriegs- und Nachkriegswirren, wie sie sich um 1945 auf dem ehemaligen Rittergut Neufrankenroda abgespielt haben.

Für Pfarrer Ziegner verbindet sich damit Familiengeschichte. Sein Vater Christoph wurde 1944 als 18-Jähriger Verwalter auf dem Gut des Rittmeisters Rudolph Meyer, Sohn des Domänenpächters Eduard Meyer, der Friedrichswerth, Neufrankenroda inklusive, als Pflanzen- und Tierzüchter bekannt gemacht hatte. Der junge Verwalter Christoph Ziegner erlebte von 1944 bis 1946 Glanz und Zusammenbruch des Rittergutes. „Mein Vater sah die Amerikaner kommen und gehen, wie die Russen folgten, erlebte drei Kommandanten und die Bodenreform“, berichtet Johannes Ziegner.

Neufrankenroda 2016

Neufrankenroda 2016

Als 1946 das Land verteilt wurde, verjagten die Neubauern den jungen Verwalter mit der Begründung: „Du hast mitgemacht.“ Eine Kiste mit Dokumenten, unter anderem mit dem Briefwechsel zwischen seinen Eltern, lieferte Johannes Ziegner Stoff für Buch und Film. Sein Vater hatte sich auf dem Gut in die Hauswirtschafterin Johanna Carstedt verliebt. Bevor sie heirateten, wollten sie erst 100 Briefe schreiben… Johannes Ziegner fasst die Geschichte in seinem Buch „Ich will Bauer werden“ zusammen. Es bildet die Grundlage für die Dokumentation. Weil die Zeit so spannend war, habe er die Idee gehabt, das Buch als Grundlage für einen Dokumentarfilm zu nehmen und Schülern nahezubringen – Geschichte wie Umgang mit Medien. Für Ziegner liegt das nahe. Als Pfarrer und Schulbeauftragter trug er nach der Wende maßgeblich dazu bei, dass Religionsunterricht wieder Teil des Lehrplans und in Eisenach das Luther-Gymnasium wieder gegründet wurde. Jetzt ist der 64-Jährige an der Uni Erfurt tätig.

Neufrankenroda 2016

Neufrankenroda 2016

Die „Traktorfreunde Aspach“ drehen mit mit Zehntklässlern des Luther-Gymnasiums Eisenach – seinen „Kindern“ – den Film. Die Zehntklässler stehen mit Kameras, Kopfhörern, Aufnahmegeräten auf dem Siloah-Hof. Die Schüler wollen ein möglichst authentisches Bild der Zeit um 1945 nachzeichnen. Das stellt sich schwierig dar. Das alte Rittergut ging zu DDR-Zeiten zu Bruch. Die Familienkommunität verwandelte das Anwesen in eine Begegnungsstätte. Landwirtschaft ist heuer bei „Siloah“ Beiwerk. Zu Christoph Ziegners Zeiten gab es um Neufrankenroda 50 000 Obstbäume, jetzt seien es um die 8000, weiß sein Sohn. Traktorfreunde aus Aspach um Lothar Walter vermitteln mit alter Technik Flair von anno dazumal. Die Schüler drehen mit Treckern, Schafen und Pferden. Seit einen Jahr arbeiten sie daran, Johannes Ziegners Buch, das sein Sohn Carl als „Die Geschichte meines Großvaters Christoph Ziegner“ herausgegeben hat, in einen Film zu fassen. Seit Beginn dieser Woche laufen die Dreharbeiten in Neufrankenroda. Der Verein „Junge Medien“ Erfurt unterstützt die Schüler dabei, stellt die nötige Technik. Die 21- jährige Katharina Behrend führt Regie. Bis Freitag soll alles im „Kasten“ sein. Die eigentliche Arbeit beginnt dann erst: das Schneiden, Texten und Besprechen. Geräusche gilt es einzufügen, das Rattern der Trecker, das Blöcken von Schafen… Im September soll der Film fertig sein. Johannes Ziegner nennt seinen Streifen ein Stück Zeitgeschichte, „das sich in unserer Nähe abgespielt hat.“ Er möchte es für jedermann sichtbar und nacherlebbar machen auf „Youtube“.“

Neufrankenroda 2016

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