Ludwig Güttler in Crock 1991

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Aus meinen Tagebuchaufzeichnungen:

Der Startrompeter Ludwig Güttler läßt anfragen, ob er wieder nach Crock kommen kann. Ich sage spontan zu, nicht ahnend was da an Schwierigkeiten auf mich zukommen. Das Konzert ist für den 1. Juli 1991 anberaumt und soll wie immer ein Höhepunkt im Leben der Kirchgemeinde werden. Doch es fing damit an, dass der Gemeindekirchenrat kein Interesse signalisierte und meinte,“… der war doch schon mal da“. Gut, dann miete ich die Kirche vom Gemeindekirchenrat und den Rest der Einnahme fließt einem außerkirchlichen Zweck zu. Das wollten sie dann aber auch nicht. Also stimmten sie unwillig zu.

Mit dieser Entscheidung wurde ich dann aber auch allein gelassen. Ich habe das Programm gestaltet, die Karten drucken lassen. Güttler wollte immerhin 10,000,00 D-West haben. Das war eine unwahrscheinliche Summe für uns Ostbürger. In der Zeitung habe ich das Konzert beworben. Als es mit dem Kartenverkauf losging, habe ich in Crock nur 30 Karten verkauft. Da bin ich ins Schwitzen gekommen. Guter Rat war teuer. Nach ein paar Telefonaten habe ich gemerkt, dass ja die Grenze auf ist. Also große, giftgrüne Plakate drucken lassen mit allen wichtigen Informationen. Diese habe ich im ehemaligen `Feindesland` sprich Coburger Raum verteilt. Und im nu waren alle Karten verkauft. Es war ein herrlicher Konzertabend mit Sektpause im Kirchgarten. Die Coburger haben sich gewundert, warum so ein Herr Güttler nach Crock kommt und nicht nach Coburg? Aber das war eine lange Geschichte.

Nach dem Konzert hat Herr Güttler vom Wiederaufbau der Frauenkirche in Dresden erzählt und um eine Spende gebeten, die er persönlich am Eingangstor des Kirchengeländes entgegen nehmen wollte. Da lieh ich ihm unsere alte Messingkollektenbüchse. Doch schon nach 5 Minuten rief er: „Herr Pfarrer, die Kollektenbüchse reicht nicht mehr. Ich brauche ein neues Gefäß“. Jetzt war guter Rat teuer. Kurzerhand brachte ich ihm einen 10 L Wassereimer. Großes Gelächter, aber der wurde randvoll. Am Ende haben die Gäste und Besucher 3.000,00 DM-West für die Frauenkirche gespendet. Das hat uns erstaunt. Wir waren somit die Ersten, die für den Wiederaufbau der Frauenkirche spendeten

Dann wurde in die Gaststätte „Zur Linde“ in Crock eingeladen. Dort wurde ein kaltes Wurstbüfett und Freibier im Wert von 680,00 in knapp zwei Stunden einfach weggegessen und weggetrunken. Es war Selbstgeschlachtetes. Gegen 4 Uhr sind wir  nach Hause. Manch einer ist noch länger geblieben. Aber die wenigsten waren aus Crock. So haben sich die Zeiten geändert. Nach Abzug der Konzertkosten an die Musiker und Ausgaben für Karten und Plakate, hat die Kirchgemeinde noch 2.349,00 DM für die Orgelrestaurierung eingenommen.

Trompeter Ludwig Güttler in Crocker Kirche

Trompeter Ludwig Güttler in Crocker Kirche

Güttler sammelt am Ausgang Spende für Frauenkirche.

Güttler sammelt am Ausgang Spende für Frauenkirche.

Güttler sammelt Spenden für die Frauenkirche

Güttler sammelt Spenden für die Frauenkirche und 14 Jahre später?

Ein Eimer voll Kleingeld für den Wiederaufbau. 

Ob es am Ende ein Stein im Mauerwerk, ein paar Pinselstriche an der Kuppeldecke oder ein Stück Kirchenbank geworden ist – das vermag Johannes Ziegner beim besten willen nicht zu sagen. Dafür erinnert er sich noch genau an den 2. Juli 1991. An diesem Tag zahlte der Ortspfarrer der Gemeinde Crock (Kreis Hildburghausen) 2.906 Mark auf das Spendenkonto von Ludwig Güttler ein. Am Abend zuvor hatte der Dresdner Trompetenvirtuose ein umjubeltes Konzert in der Crocker Kirche gegeben. „Crock – Frauenkirche“ steht auf dem Überweisungsbeleg, den Ziegner bis heute aufgehoben hat. Zu einer Zeit, als noch niemand so recht an den Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche glaubte, spendeten Konzertbesuchern bereits für das einmalige Projekt. Morgen, fast 14 Jahre später, wird die auch mit Crocker Hilfe aufgebaute Kirche eingeweiht. 

Noch heute schwärmt Johannes Ziegner vom unbeirrbaren Glauben des Dresdner Trompeters an die Wiederauferstehung dieses Symbols. „Der Güttler“, sagt Ziegner, „der hatte eine Vision“. Als der Musiker nach dem Konzert noch mit einigen Besuchern in einer Crocker Gastwirtschaft saß, musste der sich sogar Vorwürfe anhören. „Die Wessis haben ihm damals gesagt, das Geld sei in der ostdeutschen Wirtschaft besser angelegt, aber Güttler hat seelenruhig argumentiert, die Frauenkirche sei genauso wichtig“. 

Dabei war sich der Pfarrer vor dem Konzert selbst nicht sicher, ob überhaupt ein Pfennig zusammen kommen würde. Der Wiederaufbau war damals in der breiten Öffentlichkeit noch kein Thema. Ludwig Güttler und sein Bach – Kollegium verlangten für den Konzertabend in Crock 10.000 DM Gage, die Konzertkarten waren mit 20-30 DM entsprechend teuer – und vielen bereits zu teuer. Trotzdem eröffnete Ludwig Güttler dem Pfarrer kurz vor Konzertbeginn, dass er sich zum Schluss auch noch mit einer Spendenbüchse ans Tor stellen würde. Ob die Crocker spenden würden? 

Sie spendeten. Nach drei Minuten war die kleine, silberne Kollektenbüchse, die Ludwig Güttler in der Hand hielt, voll. Immer wieder musste sie in einen eilends herbei geholten Wassereimer geleert werden. Am Ende schleppt zwei Leute den mit lauter Münzen gefüllten Eimer den Crocker Kirchberg hinunter. Die Frauenkirche in ihrer alten Pracht hatte niemand der Spender je gesehen. An den schwarzen Steinhaufen, der als Mahnmal an die Zerstörung Dresdens am 13. Februar 1945 erinnerte, konnten sich viele erinnern. Es tauchte in jedem DDR – Schulbuch auf. Aber die Vision vom neuen Glanz des steinernen Kuppelbaus hatte damals nur einer – Ludwig Güttler. 

Zweifellos hatte das barocke Konzert seine Wirkung getan. Beschwingt von der Musik fiel es vielen Konzertbesuchern leicht, am Ausgang noch einmal den Geldbeutel zu öffnen. Heute werden sie vielleicht sogar ein kleines bisschen froh darüber sein. Auch sie können nun sagen: Wir haben mitgeholfen. 

(Peter Lauterbach, Freies Wort Suhl, 29.10.2005)

Güttler in Crock 1991

Güttler in Crock 1991

Güttler in Crock 1991

Güttler in Crock 1991

Neue Presse Coburg. Ludwig Güttler zu Gast in Crock. 8. Juni 1991
Der prominente Trompeter Prof. Ludwig Güttler gibt am 1. Juli, 20 Uhr, gemeinsam mit dem Leipziger Bachkollegium erneut ein Konzert in der St. Veits-Kirche in Crock/Thüringen. Sein erstes Gastspiel hatte überaus große Resonanz bei Musikfreunden aus weiten Teilen Deutschlands gefunden. Diesmal stehen auf dem Programm Werke von Antonio Vivaldi, Johann Sebastian Bach, Arcangelo Corelli und Tommaso Albinoni. Karten können beim Pfarramt Crock (Eisfeld 2423) vorbestellt werden.

Güttler in Crock 1991

Güttler in Crock 1991

Güttler in Crock 1991

Güttler in Crock 1991

Güttler in Crock 1991

Güttler in Crock 1991

Telegramm von Güttler, Dresden

Telegramm von Güttler, Dresden

Nach dem Konzert für alle Besucher Freibier. 300 Gäste habe die Einladung angenommen.

Nach dem Konzert für alle Besucher Freibier. 300 Gäste habe die Einladung angenommen.

Güttler in Crock 1991

Güttler in Crock 1991

Güttler in Crock 1991

Güttler in Crock 1991

Güttler in Crock 1991

Güttler in Crock 1991

Güttler in Crock 1991

Güttler in Crock 1991

Güttler in Crock 1991

Güttler in Crock 1991

Am nächsten Morgen zum Frühstück im Crocker Pfarrgarten.

Am nächsten Morgen zum Frühstück im Crocker Pfarrgarten.

Vorsichtshalber hatte ich nach der Grenzöffnung einen bayrischen Grenzpfahl im Pfarrgarten eingegraben. Falls es wieder anders wird, beginnt mit dem Pfarrgarten Bayern.