von Pfarrer Johannes Ziegner
Schulreferent Evangelisch-Lutherische Kirche in Thüringen
„Nachdem die evangelische Grundschule in Gotha und ein Jahr später die beiden evangelischen Gymnasien in Eisenach und Jena in Trägerschaft der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen gegründet wurden, wurde ein Schulreferat im Landeskirchenrat in Eisenach geschaffen, um zunächst mit diesen Schulgründungen Erfahrungen zu sammeln. Dieses Schulreferat war vor allen Dingen für die inhaltliche und organisatorische Gestaltung des Schulwesens gegenüber dem Kultusministerium verantwortlich. Die Verwaltung dieser Schulen wurde über die Evangelische Schulstiftung in der EKD durch die Evangelische Schulstiftung in Bayern in Auftragsverwaltung durchgeführt.
Nach drei Jahren intensiver Aufarbeitung dieser Erfahrungen und Investitionen in die Gebäude war der Punkt erreicht, an dem die geleistete Arbeit inhaltlich und finanziell neu überdacht werden musste, um gegenüber der Landessynode zu vermitteln, dass evangelische Schulen einen wichtigen Beitrag zur kirchlichen Bildungsverantwortung darstellen und in finanzieller Hinsicht kein „Fass ohne Boden“ sein müssen. Dabei fällt es vielen Synodalen nicht leicht, in einer Zeit des rückläufigen Kirchensteueraufkommens, evangelische Schulen auch als eine Chance zu begreifen, jungen Menschen, Lehrkräften und Eltern den Zugang zur Kirche und ihren vielfältigen Aufgaben zu eröffnen und sie für eine Mitarbeit in den verschiedensten Aufgabenbereichen zu gewinnen.
Da in vielen Familien beide Elternteile berufstätig sind, sind sie natürlich daran interessiert, dass ihre Kinder tagsüber gut aufgehoben sind. Dabei bevorzugen sie konfessionell geprägte Schulen. Obwohl die beiden Gymnasien in Eisenach und Jena keine Ganztagsschulen sind, bleiben die Schüler und Schülerinnen täglich bis 16.00 Uhr oder 17.00 Uhr in der Ganztagsbetreuung ihrer Schule. In der Grundschule gehen von 160 Schülern und Schülerinnen 140 täglich in den angeschlossenen evangelischen Hort.
Bereits 1996 wurde im Schulreferat darüber nachgedacht, wie zukünftig die Schulverwaltung im Landeskirchenamt in Eisenach geleistet werden kann. Im Hinblick auf den direkten Kontakt mit den Schulen sowie aus arbeitsmarktpolitischen Gesichtspunkten heraus war es wichtig, Trägerschaft und Schulverwaltung zusammenzuführen. In Gesprächen mit der Evangelischen Schulstiftung in der Evangelischen Kirche Deutschlands wurde überlegt, in welchen Zeitabschnitten eine zentrale Schulverwaltungsstelle nicht nur für die Schulen in Trägerschaft der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen, sondern auch für andere evangelische Schulen im Freistaat Thüringen aufgebaut werden könnte. Eine Anregung für die weitere Entwicklung gab die Ordnung des Evangelischen Schulwerks in Württemberg.
Ein weiteres Problem wurde mit der genannten Aufgabenstellung deutlich. Wie nämlich könnten das Evangelische Ratsgymnasium Erfurt und zukünftige Schulgründungen im Land Thüringen, die im Bereich der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen liegen, in eine solche gemeinsam verantwortete Schulverwaltungsstelle einbezogen werden? Dank des Thüringer Kultusministeriums konnte die Aufbauphase von Schulen in evangelischer Trägerschaft relativ zügig erfolgen. Dem Kultusminister lag daran, dass als Bereicherung und Ergänzung zum staatlichen Schulwesen in Thüringen private Schulen zur Entwicklung anderer Schulprofile errichtet und gefördert werden sollen.
In den Jahren 1997 bis 1999 wurden in Nordhausen, Mühlhausen und Ufhofen (Bad Langensalza) weitere evangelische Grundschulen im Bereich der Kirchenprovinz Sachsen im Freistaat Thüringen gegründet. Zwar erteilte das Kultusministerium relativ schnell die staatliche Genehmigung zur Errichtung dieser Schulen. Allerdings hatte sich gegenüber den ersten Schulgründungen im Land Thüringen nach dem Haushaltssicherungsgesetz von 1994 die Wartefrist bis zum Einsetzen der staatlichen Schulfinanzierung der Personal- und Sachkosten von zwei auf drei Jahre erhöht, wenn es sich nicht um einen bereits anerkannten Bildungsträger handelte. Anders als im Bereich der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen schloss das Kirchengesetz über die Unterstützung von Schulen in freier evangelischer und ökumenisch orientierter Trägerschaft in der Kirchenprovinz Sachsen die Übernahme von Trägerschaften durch die Landeskirche aus. Darüber hinaus wurden auch keine finanziellen Mittel für die Gründung dieser Schulen bereitgestellt.
Die Evangelische Schulstiftung in der Evangelischen Kirche Deutschlands, die für diese neuen Schulgründungen die Anschubfinanzierung zur Verfügung stellen musste, wenn diese Schulgründungen in den ersten drei Jahren von Bestand sein sollten, hatte ein verständliches Interesse daran, die vorhandenen finanziellen Mittel effektiv und verantwortungsvoll einzusetzen. Aus diesen Gründen war sie daran interessiert, dass diese neuen Schulgründungen im Freistaat Thüringen möglichst umgehend in die Trägerschaft der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen, die ein anerkannter Bildungsträger ist, überführt werden. Dies hätte zur Folge, dass die staatliche Finanzierung unmittelbar nach Übernahme der Trägerschaft dieser drei Grundschulen einsetzen würde.
Parallel zu diesen Schulgründungen fanden, ausgehend von dem Herborg-Bericht hinsichtlich der Schulverwaltung und der Trägerschaft von evangelischen Schulen, Sondierungsgespräche zwischen der Evangelisch-Lutherischen Kirche Thüringens und der Kirchenprovinz Sachsen über eine eventuelle Zusammenarbeit der evangelischen Schulträger von allgemeinbildenden Schulen im Freistaat Thüringen statt. Grundlage der Gespräche bildete ein Diskussionsentwurf über einen „Projektversuch einer Zusammenarbeit der evangelisch-allgemeinbildenden Schulen“, den das Schulreferat des Landeskirchenamts in Eisenach im Dezember 1997 vorgelegt hatte. Dabei standen drei Zielsetzungen im Mittelpunkt der Überlegungen, nämlich:
- Aufbau einer gemeinsamen Schulverwaltung für die verschiedenen Schulstandorte und damit Schaffung von Synergieeffekten, die zur Senkung von Verwaltungskosten führen könnten;
- Schaffung einer politisch wirkungsvollen Interessenvertretung aller im Freistaat Thüringen vorhandenen evangelischen Schulen gegenüber den staatlichen Stellen und politischen Bezugsgruppen;
- Errichtung eines übergreifenden Schulwerks für alle im Land Thüringen bestehenden evangelischen Schulen, in das die einzelnen Schulträger ihre Schulen neu einbringen. Hintergrund dieser Überlegungen ist, dass durch eine solche gemeinsame Gesamtträgerschaft für bereits gegründete Schulen wie Nordhausen oder bevorstehende Schulgründungen wie Mühlhausen die staatliche Schulfinanzierung zu einem früheren Zeitpunkt einsetzen könnte.
Als Ergebnis dieses Diskussionsprozesses vereinbarten am 9. Februar 1998 die Evangelische Schulstiftung in der EKD, die Kirche der Kirchenprovinz Sachsen und die Evangelisch-Lutherische Kirche in Thüringen, dass die evangelischen Schulen in evangelischer Trä-gerschaft im Freistaat Thüringen einen Zusammenschluss anstreben werden. Dieser sollte in einem ersten Schritt durch die Gründung eines evangelischen Schulwerks der Kirchenprovinz in Thüringen vorbereitet werden,
- „in dem die Schulträgervereine Nordhausen und Mühlhausen aufgehen können, unter Beibehaltung der Entscheidungsstrukturen und des verantwortlichen Mitgliederengagements vor Ort,
- das offen ist für ein eventuelles späteres Hinzutreten anderer Schulen in evangelischer Trägerschaft im Thüringer Bereich der Kirchenprovinz,
- das schließlich für einen Zusammenschluss mit einer entsprechenden Organisation der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen zu einem Gesamtthüringer Evangelischen Schulwerk in Frage kommt.“
Ferner teilte das Konsistorium mit, dass es seitens der Evangelischen Kirchenprovinz Sachsen keine Einwände gegen den Aufbau einer Verwaltungsstelle für die Auftragsverwaltung von evangelischen Schulen im Landeskirchenamt in Eisenach gab. Parallel zu diesen Verhand-lungen erfolgte schrittweise die Übergabe der Schulverwaltung des Martin-Luther-Gymnasiums in Eisenach und der Evangelischen Grundschule Gotha von der Evangelischen Schulstiftung in der EKD in die Schulverwaltungsstelle des Landeskirchenamtes der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen. Ab Juli 2000 wurde schließlich auch die Verwaltung des Christlichen Gymnasiums Jena vollständig vom Landeskirchenamt in Eisenach übernommen. Im Landeskirchenamt selbst wurde das Schulreferat um zwei Mitarbeiter erweitert. Es erfolgte ferner eine Einbeziehung der juristischen Abteilung, der Bauabteilung, des Arbeitsrechtsreferats und der zentralen Gehaltsabrechungsstelle in diese inzwischen sehr umfangreich gewordenen Aufgabenbereiche. Der Übergang der Verwaltung von der Evangelischen Schulstiftung in der EKD zur Verwaltungsstelle Eisenach konnte nur gelingen, weil die Mitarbeiter in Nürnberg und Eisenach ein gemeinsames Ziel vor Augen hatten: Im Freistaat Thüringen ein evangelisches Schulwerk zu errichten.
Trotz einiger Schwierigkeiten gingen die Gespräche zwischen den Schulreferaten der beiden Landeskirchen einerseits und den Trägervereinen der evangelischen Grundschulen in Nordhausen und Mühlhausen sowie der in Gründung befindlichen Grundschule Ufhofen (Bad Langensalza) mit dem Konsistorium in Magdeburg andererseits weiter. Diese Trägervereine baten jetzt ihre Landeskirche um Einverständnis, die Trägerschaft für diese Grundschulen auf die Evangelisch-Lutherische Kirche in Thüringen übertragen zu können, so dass der Zwischenschritt der Gründung eines Schulwerks im Bereich der Propstei Erfurt der Kirchenprovinz Sachsen überflüssig wurde. Für diese Lösung sprachen vor allem die Gründe einer sofort einsetzenden staatlichen Schulfinanzierung. Das Konsistorium erklärte sich mit dieser Bitte einverstanden und teilte den Landeskirchenrat der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen Folgendes mit:
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- „Die Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen stimmt einer Übernahme der Trägerschaft für die evangelischen Grundschulen in Nordhausen, Mühlhausen und Ufhoven durch die Evangelisch-Lutherische Kirche in Thüringen für eine Dauer von zunächst drei Jahren zu.
- Die Kirchenprovinz Sachsen übernimmt gegenüber der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen die Bürgschaft für die drei genannten Grundschulen für drei Jahre. Investive Maßnahmen sind davon nicht betroffen.
- Alle finanziell relevanten Entscheidungen für die drei Schulen müssen im Rahmen der jeweiligen vom Konsistorium der KPS genehmigten Haushaltspläne erfolgen.
- Die Ziffern 1 bis 3 stehen unter dem Vorbehalt, dass die beiden betroffenen Kirchenkreise Südharz und Mühlhausen intern gegenüber der Kirchenprovinz die Bürgschaft aus Ziffer 2 übernehmen.“
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Damit war der Weg frei für die Übernahme der Trägerschaft durch die Evangelisch-Lutherische Kirche in Thüringen. Um die staatliche Finanzierung bereits ab dem neuen Schuljahr erreichen zu können, wurden in einem Überleitungsvertrag noch vor den Sommerferien 1999 die Übernahme der Trägerschaft vollzogen und die Arbeitsverhältnisse der Lehrkräfte geregelt. Die Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen gab gegenüber der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen eine Bürgschaftserklärung zur Sicherung einer möglichen Restfinanzierung aller drei Grundschulen ab. Am 12. Juli 1999 unterzeichneten die Vertreter der Trägervereine die Übernahmeverträge im Eisenacher Landeskirchenamt der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen. Ende Juli 1999 teilte die Evangelisch-Lutherische Kirche in Thüringen dem Kultusministerium mit, dass zum 1. September 2000 ein Schulwerk in Thüringen für die evangelischen Schulen gegründet werden würde, um eine dauerhafte Fortführung der Trägerschaft garantieren zu können.
Beide Landeskirchen arbeiteten nun auf die Gründung eines gemeinsamen Schulwerks evangelischer Schulen im Freistaat Thüringen hin, das als unselbständiges Werk der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen für alle Belange der von der Landeskirche getragenen evangelischen Schulen zuständig ist. Es sollte darüber hinaus auch die Möglichkeit bestehen, dass andere evangelische Schulträger diesem Schulwerk als Mitglieder beitreten können, so dass in einer zentralen Schulverwaltungsstelle Verwaltungsaufgaben für diese Schulträger in Auftragsverwaltung wahrgenommen werden können.
Laut der Ordnung des Gemeinsamen Schulwerks Evangelischer Schulen im Freistaat Thüringen vom 28. August 2000 sind die Vertreter der Evangelisch-Lutherischen Kirche und der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen die geborenen Mitglieder, um einen gemeinsamen Weg im Zusammenwachsen der Kirchen zu gehen. Ferner heißt es in der Präambel auch:
„Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Thüringen und die Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen verstehen Schulen als Orte christlicher Erziehung, die junge Menschen auf ein verantwortungsvolles Leben in der Nachfolge Jesu Christi vorbereiten sollen. Sie erwarten deshalb von allen in evangelischen Schulen tätigen Mitarbeitern die Orientierung an dieser Zielsetzung. Durch dieses besondere Profil leisten die Kirchen auch einen Beitrag zur Bildung, zur Erziehung und zum Unterricht im Schulwesen des Freistaats Thüringen.
Zur Wahrnehmung dieses Auftrags errichten die Evangelisch-Lutherische Kirche in Thüringen und die Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen das Gemeinsame Schulwerk Evangelischer Schulen im Freistaat Thüringen.“
Mit dem Inkrafttreten dieser Ordnung am 1. September 2000 in beiden Landeskirchen war ein großes Ziel erreicht, das einen neuen Anfang für den weiteren Weg der evangelischen Schulen und ihrer Schüler und Schülerinnen im Freistaat Thüringen darstellt.“
aus „Zukunft gewinnen“ Vandenhoeck & Ruprecht 2001