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„dass ich einfach reden durfte…
Montagfrüh, dass Telefon klingelt. Der „Spieß“ einer Kompanie meldet sich. Hier ist ein Soldat, der dringend den Pfarrer sprechen möchte. Er kann sofort kommen. Minuten später erzählt der Soldat mir, was sich am Wochenende bei ihm zu Hause zugetragen hat. Ich höre zu. Nach einer Stunde bedankt er sich dafür, dass er einfach alles erzählen konnte. Wir verabreden einen zweiten Termin. An diesem Tag kommen noch drei Soldaten mit Problemen, die sie einfach nur erst einmal erzählen wollen. Beim Erzählen ordnet sich für die Betroffenen selbst vieles. Gemeinsam werden Lösungswege gesucht oder ich werde als Pfarrer gebeten, mich beim Vorgesetzten für sie einzusetzen.
Beim Seelsorger können Soldaten aller Dienstgrade Druck ablassen oder ihn als Blitzableiter nutzen. Ein Hauptmann ruft an: „Herr Pfarrer, können sie uns trauen?“ Gern sage ich zu. Im Sanitätszentrum liegen vier kranke Soldaten, die auf einen Besuch warten. Soldatenseelsorger in der Bundeswehr sind nicht nur von erheblicher Bedeutung für die Stimmung in der Truppe. Sie sind unter anderem ein Art „Frühwarnsystem“ für sich abzeichnende Konflikte in der Truppe. Darauf greifen Soldaten und Offiziere gern zurück. Kurze Wege, eine telefonische Präsenz rund um die Uhr und der von allen Dienstgraden anerkannte, geschützte Raum des seelsorgerlichen Gesprächs bringen eine große Nähe, die von allen dankbar angenommen wird. Seit 50 Jahren gibt es die Seelsorge an Soldaten in der Bundeswehr.
Das Handy klingelt: „Wir müssen zusammen eine Todesnachricht überbringen“. Wir verabreden uns. Auf der Hinfahrt zur Familie wird mir der Hergang erläutert. Der Soldat hatte einen Herzinfarkt. Auf meine Frage, wer es den Angehörigen übermittelt soll, bekomme ich zur Antwort: „Sie, Herr Pfarrer“. Was für ein Leid entsteht innerhalb von Sekunden, wenn die Angehörigen die Todesnachricht erfahren. Sie wünschen sich, dass ich die Beerdigung übernehme.
Das Telefon klingelt. Der Kommandeur eines Bataillons am anderen Ende: „Wir sind 14 Tage auf dem Truppenübungsplatz bei Berlin. Gern würden wir einen Gottesdienst mit ihnen feiern.“ Ich sage zu. Es ist Sonntagmorgen und ich feiere zusammen mit dreihundert Soldaten Gottesdienst unter dem Birkenkreuz. Im Soldatengesetz der Bundeswehr ist formuliert: „Der Soldat hat einen Anspruch auf Seelsorge und ungestörte Religionsausübung“. Bei ca. 3 000 stationierten Soldaten und Offizieren in Erfurt, Gotha und Naumburg ist es sehr lebendig. Nicht nur alle Amtshandlungen, die auch eine Gemeindepfarrer leistet, werden abgerufen.
Dazu kommt auch der Lebenskundliche Unterricht mit Soldaten aller Dienstgrade. Hier werden die Felder Kirche, Weltreligionen, verantwortlich leben, Sucht, Gewissen und vieles andere mehr im Gespräch bearbeitet. Das Interesse daran ist sehr groß. Und überall gibt es immer wieder Begegnungen und Gepräche zwischendurch.
Johannes Ziegner, Militärpfarrer „
(Für das kirchliche Gemeindeblatt der Predigerkirche in Erfurt wurde ich gebeten, einen kurzen Eindruck von meiner Tätigkeit zu schreiben – 27.06.2007)