Kirchsanierung Crock 1984-1985

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Auszug Tagebuch, Juni 1984

„…Vorbereitung der Kirchenrenovierung in Crock. Mit Blick auf das 500 jährige Jubiläum der St. Veits-Kirche in Crock muß nun die Gesamtrenovierung angegangen werden. Ein erster Schritt ist, daß das gesamte Kirchendach eine neue Beschieferung erhält. Erst einmal müssen 15 Tonnen Schiefer „besorgt“ werden. Das Kreiskirchenamt hat geholfen und mir eine Zuteilung ermöglicht. Nach Anlieferung habe ich dann die 15 Tonnen eigenhändig nach Größe sortiert. Die Schieferdeckerfirma verlangte auch, daß ausreichend Kupfernägel vorhanden sein müssen. Wieder ein Problem. In der DDR kennt man keine Kupfernägel. So werde ich die Partnergemeinde anrufen und fragen, ob sie einen Zentner Kupfernägel uns zukommen lassen können. Die Geschichte ist tatsächlich gut ausgegangen, ja, eigentlich besser als gedacht. Die abschließende Beurteilung sieht nämlich so aus: Freunde haben beim nächsten Besuch diese Kupfernägel dann mitgebracht. Da hat selbst der Gemeinderat gestaunt, denn auch der hatte solche Kupfernägel noch nicht gesehen. Dann wurde ein Gerüst gebaut und der alte Schiefer abgenommen und nach unten geworfen. Das mußte dann später auch alles weggeräumt werden. Die Schieferdecker waren ehrliche Leute, und mit guter Essensversorgung haben sie wohl auch alle Kupfernägel auf dem Dach verwendet. Jedenfalls war es dann, und ist es auch noch – dicht.

Nun mußte die Innenkirche renoviert werden. Ein großes Stück Arbeit. An der Bushaltestelle wurde schon früh um 6.00 Uhr auf dem Weg zur Arbeit erzählt, daß „der Pfarrer seine Kirche renoviert“. Da hatte ich mich wohl verhört? Daraufhin habe ich einen verfaulten Balken aus dem Kirchengestühl genommen, diesen in den Gemeinderaum des Pfarrhauses gelegt und ein Schild darauf gesteckt, auf dem zu lesen war: „Aus Eurer verfaulten Kirche“. Das sorgte für Gesprächsstoff, wochenlang. Mein Ziel ist es dabei gewesen, daß über die Renovierung der Kirche auch die Gemeinde wieder von unserer Kirche spricht. Am Ende ist das auch gelungen.

Jetzt war die nächste Überlegung: Wie bekommen wir das Geld zusammen, um diese ganzen Arbeiten zu bezahlen? Der Seniorenkreis hat mir dabei geholfen. Die Alten meinten: Herr Pfarrer, legen sie ein Spendenbuch aus, in das sich jeder mit seiner Spende eintragen muß.“ Das war wirklich eine gute Idee und es war wohl das spannendste Buch in der ganzen Renovierungszeit. Immer Sonntags nach dem Gottesdienst stand man um das Buch herum, schrieb sich ein – und kontrollierte gleichzeitig, wer noch fehlte. Dann ging man ins Dorf zu diesem oder jenem hin  und sagte: „Deine Spende fehlt noch.“ Zusätzlich wurde Geld durch Kollekten, Veranstaltungen, Heimatabende zur Geschichte Crock`s und anderes eingeworben. Durch meine selbst gehaltenen Vorträge zur Heimatgeschichte habe ich mehrere tausend Ost-Mark eingeworben. Am Ende war dann auch alles bezahlt.

Das entsprechende Einladungsplakat zu den Heimatgeschichtsabenden konnte ich direkt an der zentralen Bushaltestelle in Crock hinter eine Scheibe eines privaten „Tante- Emma-Laden“ aushängen. Im Gegensatz zur sozialistischen Losung, dass das Rad der Geschichte nicht zurück gedreht werden kann, habe ich als Überschrift gewählt: „Im Pfarrhaus wird am Soundsovielten das Rad der Geschichte zurück gedreht.“ Jedesmal war der Konfirmandensaal übervoll von Interessierten und die Spenden `flossen`.

Plakat für Heimatabend.

Plakat für Heimatabend.

Unsere Crocker Kirche wurde in kürzester Zeit renoviert, und – sie wurde auch zu Ende renoviert, was viel Kraft und viele Nerven gekostet hat. Die Innensanierung hat ein halbes Jahr gedauert, und immer wieder fehlte etwas. Ob das die 100 Deckenleuchten waren oder die Goldfarbe für die Kanzel oder Heizstrahler für die Bänke. Aber dem Westgeld in der Kollekte sei Dank und auch dem Westkaffee und den Westzigaretten.

Zuerst wurden die Bänke mit Heizstrahlern versehen. Das war schon eine Gratwanderung. Die Strahler hat ein Handwerker aus Meiningen selbst hergestellt, extra für Kirchen. Dann mußten alle Lampen heraus und neue Deckenleuchten unter den Emporen angebracht werden. Aber woher so viele Lampen, und noch dazu das gleiche Modell, nehmen? Da hörte ich von einer staatlichen Lampenfirma in Leipzig-Markleeberg. Dort würden Deckenleuchten für Schiffe hergestellt. Also bin ich mit dem Trabbi und Anhänger zu diesem Betrieb gefahren. Dort bin ich ins Sekretariat und habe meinen Wunsch, 100 Deckenleuchten mitzunehmen, ausgesprochen. Die beiden Damen haben sich angeschaut und gefragt, ob ich wüßte, daß alles auf Jahre verplant sei. Ich bejahte die Frage und stellte jetzt 2 Päckchen Westkaffee und eine Flasche guten Westcognac auf den Tresen. Beide Damen schauten sich wieder an und sagten dann, daß ich die Lieferung heute bekäme. So bin ich fröhlich mit 100 Deckenlampen weder nach Hause gefahren.

Die PGH (Produktionsgenossenschaft des Handwerks) „Elektro Eisfeld“ hat nicht schlecht gestaunt. Sie waren es nämlich, die mir erklärt hatten, daß dieses Vorhaben unmöglich sei. Die PGH „Elektro“ war beim Verlegen der vielen hundert Metern Kabel etwas langsam. So habe ich ein wenig West-Kollekte als Zielprämie eingesetzt, und damit ging es doppelt so schnell. Denn die „Malerfirma Vogel“ wollte das Gerüst schon einbauen und benötigte Platz. Da konnte man keine Überzeugungsarbeit mehr leisten, da mußte gehandelt werden. Der Gemeindekirchenrat wurde in diesen Fragen von mir allerdings nur bruchstückhaft informiert. Am Ende wollte dieser es auch garnicht wissen, angesichts der völlig erneuerten Kirche…“

Die eingerüstete Kirche in Crock, 1984. (links Pfarrer Ziegner, rechts Maler Walter Hörnlein)

Die eingerüstete Kirche in Crock, 1984. (links Pfarrer Ziegner, rechts Maler Walter Hörnlein)

Auszug aus der Stasi-Akte zur Wiedereinweihung der Crocker Kirche 1985:

„Information über den Ablauf der Einweihungsfeier der neu renovierten St. Veits-Kirche in Crock am 7. Juli 1985

In Vorbereitung der Rekonstruktionsmaßnahmen wurden durch den Pfarrer Z i e g n e r und den Kirchenvorstand aus Crock intensive Aktivitäten ausgelöst.

Das Hauptanliegen des Pfarrers mit dieser Maßnahme bestand in der weiteren Gewinnung von Bürgern und deren Einbeziehung in das kirchliche Geschehen. Als Voraussetzung dafür sieht er eine attraktive Kirche und Pfarrhaus. Die Kirche soll ein Anziehungspunkt und eine Bleibe für die Bürger und die Jugend sein.

Es wurden insgesamt mehrere Spendenaktionen durchgeführt, einschließlich Spenden aus der BRD, sowie Zuwendungen aus dem Fonds des Denkmalschutzes.

Die erbrachte Gesamtsumme wurde auf 25 TM geschätzt. Bei der Gewinnung von Bürgern für die Spendenaktion hat Pfarrer Z i e g n e r gleichzeitig Initiativen ausgelöst, indem er die Möglichkeit einräumte, daß Kinder, die bisher nur Namensweihe erhielten, nachgetauft werden können. Es ist ihm dabei gelungen, daß 9 Kinder aus Crock und 4 Kinder aus Oberwind nachgetauft worden.

Auch Frauen der Gemeinden Crock und Oberwind wurde durch Zigner für stärkere kirchliche Aktivitäten mobilisiert. Es wurde im Mai dieses Jahres der „Frauenverein Gustav-Adolf-Werk“ gegründet, deren Vorsitz die Bürgerin B u b l i t z, Elisabeth aus Crock hat. Diesem Frauenverein gehören zur Zeit 22 Frauen an.

Die Zielstellung dieses Vereins besteht neben dem Austausch aktueller Probleme aus kirchlicher Sicht in der Unterstützung älterer und kranker Bürgerinnen der Kirchgemeinden. Einer Äußerung des Pfarrers Z i e g n e r zufolge will mal mit der Volkssolidarität und dem DFD auf dem Gebiet der Betreuung älterer Bürger die Initiative nehmen und über karitative Leistungen das Ansehen der Kirche stärken. Man erhofft sich damit gleichzeitig eine Übertragung dieser Initiativen auf die Jugend.

Z i e g n e r brachte am 6.7.1985 zum Ausdruck, daß sich die Kirchgemeinden Crock und Oberwind im Stadium der Konsolidierung befinden würden und die noch vorhandenen Probleme in Oberwind trotz der „roten Bürgermeisterin“ zugunsten der Kirche geklärt werden.

Er schätzte ein, daß er mit Beginn seiner Tätigkeitsaufnahme als Pfarrer eine Reihe Fehler gemacht habe, da er die Eigenarten der Crocker Bürger nicht berücksichtigte, aber jetzt im Zusammenhang mit den Renovierungsarbeiten der Kirche viel Boden gewonnen habe. Er formulierte: „Wir sind noch für manche Überraschungen gut.“

Zum Ablauf der Veranstaltungen

Bereits am 6.7.1985 um 20.00 Uhr fand in der Kirche mit der Gruppe „Freimut“ aus Halle ein Rock-Pop-Konzert statt. Es nahmen ca. 50-60 Jugendliche aus Crock, Oberwind und Hinterrod teil. Es wurden an diesem Abend Verse aus christlichen Büchern und Zitate von Friedrich Schiller verlesen. Diese Veranstaltung wurde gegen 22:00 Uhr beendet.

Für die Einweihungsfeier am 7.7.1985 erhielt jede Familie unabhängig ihrer Mitgliedschaft zur Kirche, eine gedruckte Einladungskarte mit einer Fotografie der Kirche.

Diese Maßnahme begründete Pfarrer Ziegner damit, daß alle Einwohner der Kirchgemeinden eine große Familie seien und jedem verziehen würde, der den Weg zur Kirche wiederfinden.

Für die unmittelbare Einweihungsfeier wurden von den Mitgliedern des Frauenvereins in Verbindung mit einem Bäckermeister ca. 70 Kuchen gebacken, ein alter Leiterwagen wieder hergerichtet und kostenlos Fettbrote als Symbol der Liebe verteilt sowie Rostbratwürste angeboten.

Ab 13:00 Uhr des 7. 7.1985 läuteten die Glocken der Kirche in Crock halbstündig bis 16.00 Uhr.

Obwohl in Oberwind ein Parkfest stattfand und in Crock auf dem Sportplatz Fußball gespielt wurde, versammelten sich auf dem Friedhofs-und Kirchgeländerca. 400-500 Personen.

Die Einweihungsrede wurde durch den Pfarrer Dr. L i n s aus Eisenach im Auftrag des Landesbischofs Leich gehalten. Der Inhalt der Rede nahm wenig Bezug zum aktuell – politischen Geschehen. Von Dr. Lins wurde dargestellt, daß sich vieles, auch im Laufe der Entwicklung unseres Landes, geändert habe, wenn nicht verändert. Es gäbe in der politischen Landschaft unseres Landes Kennzeichen dafür, daß man von staatlichen Stellen mehr denn je Verständnis für die bekennende Kirche aufbringen muß, ohne in den Zwiespalt mit dem Willen und den Interessen der Menschen, die hier wohnen zu kommen.

Am Gottesdienst selbst nahmen 1 Pfarrer aus Coburg sowie weitere BRD – Bürger teil. Durch den Coburger Bürger Z e t z m a n n wurde als besondere Attraktion einen Abendmahlbecher aus Zinn übergeben, der künftig auf dem Altar der Kirche aufgestellt wird. Ebenfalls auf dem Altar wurde im Zusammenhang mit dem Renovierungsarbeiten ein selbst gemaltes Aquarellbild angebracht, das mit folgendem Untertitel versehen ist: „..So arm wie eine Kirchenmaus sind wir nicht – wir sind da und werden da sein so wie es der Herr will.“

Nach der Rede von Dr. Lins bedankten sich der Bürger Gerhard G e i g e r aus Crock und der Pfarrer Z i e g n e r für die großen Aktivitäten der Bürger bei der Renovierung der Kirche. Pfarrer Z i e g n e r schätzte ein, daß die Kirche in ihrem jetzigen Zustand zu einer Wallfahrtskirche geworden sei, die künftig viele Besuche, einschließlich aus der BRD, haben wird.

Als Problem sieht er lediglich noch die Instandsetzung des Zufahrtsweges zur Kirche. Nach seinen Aussagen wären dafür andere Gremien zuständig, denen er „noch Luft machen würde“.

Als aktive Bürger bei der Renovierung der Kirche wurden die Personen
Karl B u b l i t z, Gerhard G e i g e r und Walter H ö r n l e i n festgestellt.

Leiter der KD
I.V. Unterschrift
L i t s c h e

Verteiler

SED-KL, 1. Sekretär
Rat des Kreises, Vorsitzender
BV Suhl, AKG
BV Suhl, Abt. XX“

Originalauszug Stasiakte 

Wiedereinweihung Kirche Crock 1985.

Wiedereinweihung Kirche Crock 1985.

Wiedereinweihung Kirche Crock 1985.

Wiedereinweihung Kirche Crock 1985.

Wiedereinweihung Kirche Crock 1985.

Wiedereinweihung Kirche Crock 1985.