Festnahme 1974

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„Festnahmeprotokoll Nr. 66“

Wenige Tage vor meiner Entlassung aus der Nationalen Volksarmee im Frühjahr 1974 ist mir als Schreiber der Kompanie doch noch ein Fehler unterlaufen. Statt dem roten Grenzschein habe ich einen grünen verwendet und prompt ist es aufgefallen. So habe ich einen Tag in der Zelle in der Grenzkompanie Wahlhausen / Eichsfeld zugebracht, mit Wache vor der Tür und ständigen Verhören. Heute ist das ehemalige Kaserne ein Altersheim.

„Beschreibung der für die Beurteilung des versuchten oder vollendeten Grenzdurchbruches wesentlichen Umstände:

9:00 ab Heiligenstadt mit Trabant LR 83-27 über Uder, Wüstheuterode zum KP (Kontrollpunkt) Dietzenrode. 9:30 Festnahme am KP-Dietzenrode. Er verhielt sich bei der Festnahme ruhig, äußerte sofort wahrscheinlich zur Rechtfertigung seines ungültigen Dokuments, das dies mit seinem KC (Kompaniechef) abgesprochen wäre. Mitgeführte Werkzeuge keine außer Kfz-Werkzeug. Führte bei sich Karte Maßstab 1:100 000 ohne Einzeichnungen. Geldbetrag 128,90 Mark; 0,10 Pfennige West…

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Wollte nach Wahlhausen um die Hühnerfarm bzw. G. May zu besuchen um sich mit ihm über seinen Vater der 1968 gestorben ist zu unterhalten, da beide befreundet waren. Besuch nach Rücksprache war nicht angemeldet. Wollte im Auftrag seiner Mutter zu Stallknecht Wilhelm, Wahlhausen um sich mit ihm über die Brieffreundschaft mit der er sich seit 1972 schreibt Helena Germonowa aus Leningrad zu unterhalten da sie seit Dez. Nicht geschrieben hat. Besuch bei Stallknecht war ebenfalls nicht angemeldet. GV (Grenzverletzer) ist wohnhaft seit 1952 in Heiligenstadt und braucht eine Karte um bis nach Wahlhausen zu kommen. Unglaubwürdig. GV als Schreiber bei NVA eingesetzt. Kennt nicht Verhalten im Urlaub sowie Verhalten Einreise in das Grenzgebiet bzw. Schutzstreifen. Unglaubwürdig. GV hat starke verwandtschaftliche Bindungen in die BRD. Besuch in Heiligenstadt zur Mutter wurde durchgeführt.

Vorläufig sichergestellte Gegenstände:

PKW Trabant LR 83-27, Fahrgestell. 2103386 Benutzer Ziegler Johannes, Halter Johanna Ziegler; 1 Bibel, Fahrerlaubnis, Zulassung, Steuerkarte, Autoschlüssel, Dienstausweis 72/457917, 1 Karte, Urlaubsschein, Geldbörse mit 128,90; 0,10 Mark West, Diverse Papiere. (Unterschrift Hptm.)

(Schriftlich angefügt)

Maßn. Befehl K-GR-4 Begleitung bis Kp. Diezenrode. Sofortiges Aufsuchen des Elternhauses. Befehl übermittelt 24.03.1974. 13:45 (Unterschrift)“

„Kreisdienststelle
-Heiligenstadt-

Aktenvermerk (17.04.1974)

Am 13.04.1974 teilte der Abv. von Walhausen, Gen. Ettingshausen, unterzeichneten Mitarbeiter folgenden Sachverhalt mit:

Ende März wurde am Schlagbaum  Dietzenrode der

Ziegner, Johannes
geb. 16.10.52 in Heiligenstadt
wohnh.: Heiligenstadt, Hospitals.
z.Z. Angehöriger der NVA / Schreiber o. ä.
festgenommen.

Z. war in Zivil mit dem Pkw seiner Mutter unterwegs und wollte u.a. den LPG-Vorsitzenden von Wahlhausen, Günther May, besuchen. Gegenüber dem Posten brachte Z. zum Ausdruck, daß er bezüglich seiner Einreise in den Schutzstreifen bereits mit dem Komp. – Chef gesprochen habe. Da die Posten davon keine Kenntnis hatten wurde Z. gründlich kontrolliert. Er hatte keine gültigen Einreisedokumente.

Laut Weisung des Komp. – Chefs soll er zurückgeschickt worden sein. Der Z. selbst kennt die angegebenen Personen zu denen er wollte nicht. Der Vater des Z., er ist bereits verstorben, war LPG-Vorsitzender in Heiligenstadt und kannte den Günter May. Die Mutter des Z. ist als Lehrerin in Heiligenstadt tätig.

Es ist nicht üblich, dass Personen, die am Schlagbaum Dietzenrode angefallen sind, nicht der VP übergeben werden.

Otto (Unterschrift)
Ltn. (Leutnant)“

„KD Heiligenstadt
24.04.1974

Aktenvermerk

Am 23.04.74 wurde mit dem stellv. Kompaniechef der 12. GK (Grenzkompanie), Gen. Ltn. (Leutnant) Krause, bezüglich der Informationen zu Ziegner Rücksprache genommen.

Es wurde bekannt, daß Z. bereits am 11.3.1974 illegal in  Teistungen weilte und nach eigenen Angaben den Landarzt Dr. Popering (Hausarzt der Familie) aufsuchen wollte. Beim jetzigen Vorkommnis brachte er ebenfalls zum Ausdruck, daß er Verwandte bzw. Bekannte seines Vaters (dieser ist vor einigen Jahren verstorben) in Walhausen aufsuchen wollte. Es handelte sich hierbei um die Familie Gastrock-Mai, Günter und Stallknecht, Wilhelm. Beide Familien hatten jedoch vom Besuch des Z. keine Kenntnis und kannten diesen selbst nicht. Sie waren nur mit dessen Vater bekannt gewesen. Der Z. brachte bei der Vernehmung in der Kompanie zum Ausdruck, daß er sich seinen Urlaubsscheint selbst ausschreibt, da als Schreiber in seiner Einheit tätig ist. Sein Kompaniechef würde diese Urlaubscheine jeweils unterschreiben.

Zu seinen Verwandten in der BRD brachte der Z. zum Ausdruck, daß eine Tante Dekau, Eva in Kassel wohnhaft ist. Deren Ehemann wäre hier ? als Richter tätig. Ein Onkel Ziegner, Martin wäre in Wolfsburg wohnhaft und als Direktor der dortigen VW-Werke tätig. Ein weiterer Onkel Kastrock wäre als Direktor in der Kohleindustrie, genauer Wohnanschrift nicht bekannt, tätig. Die Dekas weilte bereits zu Besuch in Heiligenstadt.

Zur weiteren Entwicklung des Z. wurde erarbeitet, daß er in Halle an der Martin-Luther-Universität Theologie studieren will.

Auf Befehl des Rgt.-Kdr. (Regimentkommandeur) wurde Z. bis zum KP Wüstheuterode begleitet und von dort nach Hause geschickt.

Op. Mitarbeiter
Otto (Unterschrift)
Ltn. (Leutnant)

(handschriftliche Anmerkung)

– kommt im April 74 zur Entlassung von NVA, 26.4.
– ist zu Hause 30. 4.“

Hier wurde ich festgenommen.

Hier wurde ich festgenommen. Damaliger Vorposten. (Bild Internet)

Hier wurde ich festgenommen. (Bild Internet)

Hier wurde ich festgenommen. Damaliger Vorposten. (Bild Internet)

Letzte Reliquie vom einstigen Kasernenzaun.

Letzte Reliquie vom einstigen Kasernenzaun, ein Betonpfahl. (Foto © JZ)

Die ehemalige Grenz-Kaserne wurde nach 1990 zum Altersheim umgebaut.

Die ehemalige Grenz-Kaserne wurde nach 1990 zum Altersheim umgebaut. (Foto © JZ)

Gibt es Fotos vom ehemaligen Kasernengebäude vor 1990?

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