Schlacht bei Bad Langensalza, 1866

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Militärseelsorge im Spiegel der Geschichte

„Als am 27. Juni 1866 bei Bad Langensalza das Hannoversche und das Preußische Heer aufeinander trafen, war die Entwicklung waffentechnischer Optimierung einhergehend mit nationalen Massenheeren in vollem Gange. Das Leid des Krieges wurde für fast alle Bevölkerungsschichten als Wehrpflichtige erfahrbar. In diesem Zusammenhang wuchsen auch die Aufgaben der Militärseelsorge, die über die Weltkriege bis in die Gegenwart fester Bestandteil der Streitkräfte sind“. (Konrad-Adenauer-Stiftung)

Anlässlich des 143. Jahrestages der Schlacht bei Bad Langensalza veranstaltete die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) einen Vortrags- und Gesprächsabend im dortigen Stadtmuseum, 14.07.2009

Militärseelsorger Pfarrer Johannes Ziegner beim Vortrag.
Militärseelsorger Pfarrer Johannes Ziegner beim Vortrag.

„…Der Evangelische Militärpfarrer Johannes Ziegner, Leiter des Evangelischen Militärpfarramts Erfurt, spannte mit seinem Vortrag einen Bogen vom Hauptmann zu Kapernaum im Neuen Testament über Martin von Tours, Martin Luther bis hin zur preußischen Militärkirchenordnung von 1832. Interessant waren die Ausführungen zu den Rahmenbedingungen für die Feld- und Lazarettseelsorge der Einigungskriege 1866 sowie 1870/71. In Vorbereitung dieser Ausführungen entdeckte der Militärpfarrer, dass sein Ur-ur-großvater zu den Kriegshandlungen 1866 in Königsgrätz für die Preußen von Erfurt die Verpflegung herangefahren hatte. Auf dem Rückweg transportierte er Kohlen aus Böhmen nach Erfurt. Aussagen über die Situation der Militärseelsorge im Ersten und Zweiten Weltkrieg sowie zur Ablehnung der Militärseelsorge in der Nationalen Volksarmee der DDR rundeten den Vortrag ab…“

(Quelle Text: Militärseelsorge)

Der Vortrag

Militärseelsorge im Spiegel der Geschichte

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

leidvoll mussten wir wieder letzte Woche erfahren, wie 3 junge Soldaten in Afghanistan bei Kämpfen mit den Talliban auf tragische Weise ihr Leben verloren. Wer die Nachrichten verfolgt hat, wird auch gehört haben, dass Militärseelsorger im Lager Kunduz und hier in Thüringen sofort seelsorgerlich bei der Bewältigung des Geschehens geholfen haben. Sei es die Todesnachricht zusammen mit dem Dienstvorgesetzten zu überbringen oder die Kameraden in Kunduz und Bad Langensalza mit ihren Fragen zu begleiten. Das Geschehene belegt auch die Grundaussage dieses Themas heute: Überall dort, wo Militär ist, ist auch Militärseelsorge. Militärseelsorge im Spiegel der Geschichte. Das können letztendlich nur einzelne Schlaglichter sein.

Folie: Schlacht bei Bad Langensalza, 1866

Im Einladungsfleyer heißt es:  „…Das Leid des Krieges 1866 wurde für fast alle Bevölkerungsschichten als Wehrpflichtige erfahrbar. In diesem Zusammenhang wuchsen auch die Aufgaben der Militärseelsorge, die über die Weltkriege bis in die Gegenwart fester Bestandteil der Streitkräfte sind…“. Zugleich sind die Einigungskriege für die Militärseelsorge eine Wendepunkt in der Arbeit. Und das Nachdenken über diese Arbeit bzw. die Gestaltung der Militärseelsorge ist bis heute nicht abgeschlossen. Die Evangelische Militärseelsorge hat jetzt ein Papier zur Diskussion gestellt mit dem Titel: „In Gottes Namen begleiten, ermutigen, orientieren, verkündigen und feiern – Perspektiven der Evangelischen Militärseelsorge bis 2017“. Die Geschichte der Militärseelsorge ist weit umfassender, als man es vielleicht wahrhaben will. Ich beginne vor 2000 Jahren. Da findet sich eine Geschichte in der Bibel, im Neuen Testament: Der Hauptmann zu Kapernaum (Mt. 8, 5-13)

Folie:  (Hauptmann zu Kapernaum)

Dieser römische Hauptmann war offensichtlich kein Leuteschinder, sondern kümmerte sich um seine Soldaten. Er hatte einen alt gedienten Feldwebel, der war wahrscheinlich so eine richtige „Mutter der Kompanie“, bis ihn die Schmerzen krumm zogen und ihn unablässig peinigten. Die Ärzte in Kapernaum waren offensichtlich mit ihrer Kunst am Ende. Der Hauptmann wollte sich aber damit nicht zufrieden geben und dachte darüber nach, ob es nicht doch eine Hilfe für den Kranken geben könnte.

Militärs sind in der Regel tatkräftige Persönlichkeiten. Das galt wohl auch unserem Hauptmann. Denn als Jesus in die Stadt kam, stellte er sich IHM in den Weg und bat ihn, indem er ihn respektvoll mit „Herr“ anredete, um Hilfe – und tatsächlich: Der wunderliche Heilige sagt einen Hausbesuch zu.  Aber hier braucht es keinen Hausbesuch, sondern nur ein Wort, und der alte Feldwebel ist wieder wie neu. Sein Militärberuf zeigt ihm ja, dass das Wort Macht hat. Sein Glaube ist so groß, dass er von Jesus erwartet, dass er die Macht hat, auf  ein Wort hin Gesundheit und Heil zu schenken. Der Offizier, der angesichts der schweren Krankheit seines alten Kameraden die eigene Machtlosigkeit erkennen muß, der traut Jesus genau das zu: Sein Befehl wird Heilung bewirken.  Jesus stellt fest: „Solchen Glauben habe ich in Israel bei keinem gefunden!“.  Was macht den Glauben des Hauptmanns in Kapernaum so unvergleichlich? Ich meine, es ist die Einfachheit dieses Glaubens, die Jesus hier so hoch preist. Dieser römische Hauptmann weiß nichts von den Verheißungen Gottes an sein Volk. Er weiß nichts von der Geschichte Gottes mit seinem Volk, er kennt keines der großen Gebete, die die Psalmdichter ihrem Volk gelehrt haben. Er weiß nichts von der großen endzeitlichen Hoffnung. Dieses Wissen fehlt ihm. Der Hauptmann hat nur das Wort: „Bittet, so wird euch gegeben.“, gehört und darauf vertraut er – ohne alle christliche Erziehung, ohne alle Predigten und Gottesdienste, ohne das gesamte kirchliche Umfeld.

Hier wird das Grundmuster der Militärseelsorge aufgezeigt:

– Die Waffe des Militärseelsorgers ist allein das Wort Gottes.
– Egal ob gläubig oder ungläubig, jeder kann zum Militärseelsorger kommen.
– Der Militärseelsorger kann jederzeit zum Schutz und Wohl des Soldaten handeln.
– Der Militärseelsorger kann nichts befehlen und ihm kann auch nichts befohlen werden.

Das Grundmuster der Militärseelsorge seit 2000 Jahren. Freilich ändert sich immer wieder die Situation der Truppe und damit auch das Tätigkeitsfeld der Militärseelsorge. Das ist gut so. Die Militärseelsorge befindet sich analog ebenso in einem Transformationsprozeß wie derzeit auch die Bundeswehr selbst. Bedenkt man die derzeitige Frömmigkeit in der Bundeswehr, stellt man schnell fest, dass sie sich im Verhältnis zu der alten Geschichte vom Hauptmann zu Kapernaum  nicht viel unterscheidet.

Vor 1989 lag die Zugehörigkeit zu einer Konfession  bei 70% und nach der Wende nur noch bei 30%. Der Osten kam dazu. Und das ist das erstaunliche, egal ob katholisch, evangelisch, konfessionslos oder einer anderen Religion zugehörig, die Soldaten kommen zu den Militärseelsorgern. Die Probleme des Einzelnen sind oftmals so heftig, dass es einfach wichtig ist, dass Einer da ist, der nicht zum „Getriebe“ gehört, Zeit hat zu zuhören und vielleicht am Ende sogar „auf seine Weise“ helfen kann. In 2 Jahren habe ich 210 Seelsorgegespräche geführt.

Folie: Petrus

Der Militärseelsorger erfährt ebenso Stärkung aus der Bibel:

In der Apostelgeschichte (10, 34) heißt es: Es war aber ein Mann mit Namen Kornelius, ein Hauptmann. Der war fromm und gottesfürchtig samt seinem ganzen Haus. Er bitte den Apostel Petrus in sein Haus zu kommen, um zu hören, was er zu sagen hat. Petrus kann im ersten Moment nicht viel damit anfangen. Der Hauptmann ist eigentlich eine Heide. Was kann Gott schon mit dem vorhaben? Petrus erkennt während er predigt: Nun erfahre ich in Wahrheit, dass Gott die Person nicht ansieht, sondern, wer ihn fürchtet und recht tut, der ist IHM angenehm.

In dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Korinth vor 2000 Jahren lesen wir: Jeder bleibe in der Berufung, in der er berufen wurde. Damit wird klar ausgesagt, dass der Soldatenstand für Christen ein ethisch legitimes Berufsfeld ist. Das Pauluswort liefert auch gleich die theologische Begründung:  Dort und nirgendwo anders hatte ihn die Gnade Gottes getroffen, dort – im  Militär wollte Gott ihn haben.

Folie: Martin von Tuors

Geboren 316 in Ungarn als Sohn eines römischen Militärbeamten, quittierte im Jahr 356 aus christlicher Überzeugung seinen Dienst als Soldat. Gegenüber dem römischen Caesar Julian soll er die Worte geäußert haben: Bis habe ich dir gedient; gestattet nun, dass ich jetzt Gott diene…Ich bin ein Soldat Christi; es ist mir nicht erlaubt, zu kämpfen.

Folie: Martin Luther

1 500 Jahre später wiederholt Martin Luther diesen Ansatz und geht angesichts seiner kriegerischen Zeit gegenüber sogar ein ganzes Stück weiter. Er schreibt: Soldaten haben ein göttliches Recht auf Religion.
1546 erscheint eine Schrift mit dem Titel: „Vermahnung an den Teutschen und Evangelischen Kriegsmann“

  • Geschrieben wurde diese von Wolfgang Musculus, der wohl wenig bekannt ist, aber auch zu den bedeutenden Reformatoren gezählt werden muss.
  • Geboren 1497, als Sohn eines Böttchers,
  • von den wenig begüterten Eltern wird er von allen Kindern zum Studium bestimmt,
  • mit 15 Jahren landet er in einem Kloster
  • 15 Jahre blieb er in diesem Kloster, hier machte er Bekanntnschaft mit der Reformation und Luthers Schriften,
  • das veranlasste ihn 1527 das Kloster zu verlassen, obwohl er Prior werden sollte.
  • im gleichen Jahr heiratete er.
  • 1531 erhält er einen Ruf nach Augsburg,
  • 1536 reist er zu Luther, wo er mit anderen Reformatoren die Wittenberger Konkordie erarbeitet,
  • 1540 / 1541 nimmt Musculus als Abgesandter der Stadt Augsburg an den Wormser Religionsgespräch teil, zu dem Kaiser Karl V. eingeladen hatte,
  • die Gespräche bleiben in der Folge ergebnislos,
  • der Schmalkaldische Krieg 1546 mit seinen ganzen Folgen, Flucht, Vertreibung, Verbot evangelisch zu predigen setzen Musculus und seiner Familie schwer zu,
  • 1549 bekommt er schließlich eine neue Anstellung in Bern,
  • hier arbeitet er bis zu seinem Tod 1563

Wesentliche Grunderfahrungen seines Lebens kommen in dieser Schrift „Vermahnung an den Deutschen und Evangelischen Kriegsmann“ von 1546 zum Ausdruck. Musculus lebt im Angesichts der Bedrohung seiner evangelischen Existenz durch die katholische Gegenreformation. Konkret wird diese Bedrohung für ihn immer wieder durch die Soldaten des Kaisers. Sein Vertrauen aber, dass Gott im Regiment sitzt, lässt ihn auch die besonders schweren Augenblicke seines Lebens ertragen. Das Grundmotiv seines Lebens, das christliche Verhalten als Folge des Glaubens an Gott und ein unzerstörbares Vertrauen zu ihm ist letztendlich auch das Grundmotiv seiner Vermahnung an den deutschen und evangelischen Kriegsmann. Die aktuelle Situation vor Beginn des Schmalkaldischen Krieges 1546 ist für Musculus genug Anlaß in 10 Abschnitten die evangelischen Soldaten an ihre soldatischen Pflichten und ihr soldatisches Ethos zu erinnern:

  1. Er schreibt: Dieser Krieg ist den Evangelischen aufgezwungen. Der Kriegsmann soll wissen, das er in dieser Sache nicht den Menschen, sondern Christus seinem Herrn und obersten König diene.

Die Frage nach der 2 Reiche-Lehre taucht hier nicht auf. Theologen damals sind sich einig, kein Krieg gegen den Kaiser, da er von Gott eingesetzt ist, als rechtmäßige Obrigkeit. Nach diesem ersten Absatz erwartet man eigentlich den Aufruf zum Heiligen Krieg. Doch dieser Aufruf erfolgt natürlich nicht. Was aber dann folgt könnte auch heute noch einem Soldaten ins Gewissen geschrieben werden:

Er schreibt u.a.

  1. Auch ein Kriegsmann kann seelig werden, aber man muß auch im Krieg ein               Christliches Gemüt spüren. Ansonsten den Krieg lassen, bevor man die christliche Hoffnung wegwirft.
  2. Der Soldat soll Gott in seinem täglichen Gebet seine Frau, Kinder, Freunde, Eltern,  Vaterland und Anlaß des Krieges befehlen.

Hintergrund für diese Aussagen war, dass Musculus sich der Schwere der Auseinandersetzung bewusst war, aber auch Hoffnung hatte, dass die Niederlage der Protestanten abgewendet werden könnte. Somit ist in der ganzen Schrift von mehr Gottvertrauen und Hoffnung als von Siegeszuversicht die Rede. Die Ausführungen Musculus an die Soldaten sind fast zeitlos gültig. Einen Grossteil der Probleme und Fragen bestimmen auch heute das Verhältnis von Kirche und Militärseelsorge, wenn es um das Kriegshandwerk und Verkündigung, oder um das Verhältnis von Innerer Führung und Militärseelsorge geht. Das heißt im Klartext:  Die Verkündigung den Soldaten gegenüber muß immer wieder konkret werden. Dabei muß die Verkündigung sich den Vorwurf gefallen lassen, das Wort Gottes zur Motivation der Soldaten zu missbrauchen.

Ein Militärpfarrer sitzt immer zwischen allen Stühlen.  Er ist an der Seite der Soldaten, aber er macht keinen Hehl daraus, dass niemand, auch nicht der Militärpfarrer, dem Soldaten die Verantwortung für sein Tun abnimmt. Aus der Vermahnung von Musculus ist auch zu entnehmen, dass der Militärpfarrer die Notwendigkeit von Kriegsleuten bejaht. Er setzt sich der Kritik der gemeinen Soldaten aus, weil er sie zum Gehorsam gegenüber den Vorgesetzten ermahnt. Und er setzt sich der Kritik der Vorgesetzten aus, weil er deutliche Grenzen ihrer Befehlsgewalt aufzeigt. Am Ende der Vermahnung aus dem Jahr 1546 kommt man unweigerlich zu dem Schluß, dass es schon erstaunlich ist, wie modern ein solch alter Text sein kann.

18. Jahrhundert

In Deutschland geht die Militärseelsorge zurück auf das frühe 18. Jahrhundert.

Bis zum 1. Weltkrieg gab es kein einheitliches System. Die einzelnen Länder organisierten ihre Militärseelsorge eigenständig. In der Regel waren Militärgeistliche Berufsoffiziere. Sie hatten einen Dienstgrad abhängig von ihrer Dienststellung. Letzteres hat sich grundsätzlich geändert. Heute haben Militärgeistliche keinen Dienstgrad und sie sind unbewaffnet. Aber sie tragen jeweils den Dienstgrad der Person, mit der sie reden. Ich bin ein Rekrut, wenn ich mit einem Rekruten spreche. Ich bin ein General, wenn ich mit einem General rede. Auch tragen Militärpfarrer keine Uniformen. Auf Übungen oder in Einsätzen jedoch eine „Schutzbekleidung“. Militärgeistliche stehen heute außerhalb der militärischen Befehlsstruktur. Aber sie haben unmittelbares Vortragsrecht auf jeder militärischen Ebene.

Folie:  Einsegnung der Freiwilligen 1813

1832, Militär-Kirchen-Ordnung

Der Grundstein zu einer eigenständigen Militärseelsorge in Deutschland wurde 1832 mit der in Preußen erlassenen Militärkirchenordnung gelegt. Diese Ordnung legte im Grundsatz fest:

„Im Krieg ist die Aufgabe des Militärgeistlichen keine andere als das Evangelium des Friedens zu treiben.“

Folie:   Fahnenweihe 1861

Im folgenden will ich Ihnen ein paar Rahmenbedingungen für die Feld- und Lazarettgeistlichen von den Kriegen 1866 und 1870/71 darstellen. Es war eine Vielfalt der Amtspflichten an der Front, im Lazarett und im rückwärtigen Bereich sowie die Verkündigung der Königlich-Preußischen evangelischen Feld- und Lazarettgeistlichen in beiden Kriegen. „Mit Beginn der Mobilmachung 1866 deckt der Militärgeistliche zunächst seinen materiellen Bedarf. Er kümmert sich um seine Ausrüstung, „deren Bedeutung für das amtliche Wirken im Felde nicht hoch genug anzuschlagen ist.“  Für die erforderliche Beweglichkeit des Feldgeistlichen bestimmt der Mobilmachungsetat zwei Wagenpferde und ein Reitpferd. Diese zunächst überzogen klingende Ausstattung dient nicht der Bequemlichkeit des Geistlichen, sondern der Erfüllung seiner Aufgaben. Der Wagen mit zwei Pferden ist ein Mehrzweckgefährt. Bei zum Teil weit auseinander liegenden Verfügungsräumen bietet der Wagen für den Geistlichen Raum zur Entspannung und zur Sammlung und Vorbereitung für die am Zielort zu erfüllenden Amtspflichten (Gottesdienste, Bestattungen usw.). Außerdem ist der Wagen Transportmittel für alle Utensilien des Feldgeistlichen wie Altardecke, Abendmahlsgeräte, für persönliches Gepäck und für das seiner Mitarbeiter. Diese etatmäßigen Feldgeistlichen werden von den nichtetatmäßigen Feldgeistlichen scherzhaft „Paschas von drei Roßschweifen“ genannt. Der nichtetatmäßige Feldgeistliche verfügt nur über ein Reitpferd. Auch der Transport der für Amtshandlungen erforderlichen Utensilien, des persönlichen Gepäcks und des „Hafersacks“ muss mit dem Reitpferd bewältigt werden. In diesem Fall traben Feldgeistlicher und sein Soldat „auf Schusters Rappen nebenher“. Die Erfahrungen des Krieges 1866 führen zu der Forderung, jeden Feldgeistlichen, der die Truppe begleitet, zum „Pascha mit drei Roßschweifen“ zu machen, wie auch jeden Lazarettgeistlichen mit Wagen und drei Pferden auszustatten, sofern er Lazarette seelsorgerlich zu versorgen hat.  Ein Reitpferd allein oder ein Wagen mit nur zwei Pferden ist unzweckmäßig. Das Reitpferd ist für die Geistlichen unentbehrlich für Schnelleinsätze oder für Einsätze auf dem Gefechtsfeld bei Sterbenden und Verwundeten.“ Die wichtigsten Voraussetzungen für die seelsorgerliche Versorgung der Truppe ist das Seelsorgepersonal. Beim Feldgeistlichen kommt es neben seinen theologisch-seelsorgerlichen Fähigkeiten darauf an, daß er den physischen Strapazen gewachsen sein muß. Er soll über „eine gute und feste auch gegen Erkältungen abgehärtete Gesundheit, eine gute Lunge und starke sonore Stimme, womöglich auch eine äußerlich stattliche Figur“ verfügen. „Immerhin wird ihm eine hinter dem mittleren Maß nicht zurückbleibende Größe, ein fester Schritt, eine gerade Haltung … zustatten kommen.“ Über gewisse Reitkünste soll er ebenfalls verfügen, ohne dabei „eine lächerliche Figur zu spielen“.

Folie:  Feldgeistlicher auf Pferd

Folie:  Militärgeistlicher mit Auto (Nissan Petrol)

Weiter werden folgende Eigenschaften von ihm erwartet: ein Mann in mittleren Jahren, zum Predigen ohne längere Meditation allzeit fertig und bereit, praktisch und gewandt, um sich in den stets wechselnden Verhältnissen bald zurechtzufinden …. frischen und fröhlichen Gemütes …. entschlossenen Geistes, um günstige, oft schnell vorübergehende Gelegenheiten zum amtlichen Wirken zu benutzen, vor allem mit einem liebevollen und in Gottes Wort festgegründeten Herzen. Sein Beruf muß ihm „über Weib und Kind“ gehen. Jeder Zoll an ihm sollte ein Preuße sein. Junge Geistliche werden als ungeübte Anfänger für ungeeignet erachtet.

Auch solche sind ungeeignet, die sich im Hauptquartier mehr um „einen kranken Offizier, als um 50 kranke Leute kümmern“. Junge Geistliche sind außerdem den Offizieren nicht gewachsen, denen manchmal mit nüchterner und männlicher Entschiedenheit begegnet werden muß. Die grundlegenden Erfordernisse würde der geeignete Feldgeistliche natürlich „aus der Rüstkammer Gottes“ entnehmen: der Heiligen Schrift.

Heute begegnet uns jedoch das Gegenteil. Es werden vorwiegend junge Geistliche genommen, die ihr eigenes Problemfeld mitbringen. Ich bin altersmäßig gerade noch so in die Bundeswehr gekommen und bin mit dem Landeskommandeur Herrn H. schon mit Stubenältester. Ich will es manchmal gar nicht glauben, wenn Soldaten kommen und auf Grund meiner Lebenserfahrung einen Rat für ihre Lebenssituation erbitten.

Natürlich ist der evangelische Feldgeistliche im Krieg 1866 auch äußerlich erkennbar. Er trägt einen „zwei handbreit über die Knie reichenden schwarzen Rock mit Stehkragen und einer Reihe Knöpfe und einer schwarzseidenen, ebenfalls einreihig zugeknöpften Weste“. Diese Tracht soll auch im Frieden getragen werden; allerdings um eine handbreit verkürzt und ergänzt durch einen runden schwarzen Filzhut als Kopfbedeckung.

Folie:  Bild von Hochzeit (Kaisermanöver), 2008

Insgesamt stehen mit Beginn der Mobilmachung 1866 dreiundvierzig Feldgeistliche zur Verfügung (20 von ihnen sind neu ernannt). Diese Zahl reicht aber nicht aus.

Im Krieg 1870/71 sind insgesamt 92 Lazarettpfarrer in Feldlazaretten eingesetzt; außerdem 30 Pfarrer und Kandidaten der Theologie in Reservelazaretten in der Heimat. Wie 1866 werden die Mittel für alle Lazarettpfarrer und außeretatmäßige Divisionspfarrer aus Gemeinde- und Einzelspenden aufgebracht.

Der erste Vertraute des Feldgeistlichen ist der Küster. Er führt die Oberaufsicht über die zugeordneten Soldaten, überwacht deren Dienst und trägt Sorge für die Instandhaltung des gesamten Materials einschließlich des Hufbeschlags der Pferde.

Heute hat der Pfarrhelfer  u.a. die Aufgabe, die Profiltiefe der Reifen zu messen, das Kühlwasser und den Ölstand zu prüfen und die gesamte Bürotechnik auf dem Laufenden zu halten. Was oftmals schon nicht gelingt. Damals wie heute muß er oder sie wegen dieser verantwortlichen Schlüsselstellung eine geeignete Persönlichkeit sein.

Zurück zum Jahr 1866: Sehr befürwortet wird, wenn der Friedens-Divisionsküster seinen Divisionsgeistlichen auch im Kriegsfall begleitet. Er ist mit den Gewohnheiten und der Arbeitsweise des Geistlichen vertraut und außerdem der Truppe bekannt. Jedoch erlauben sein Alter und Gesundheitszustand oftmals nicht, Funktionen eines mobilen Küsters im Felde zu erfüllen. Genau das ist damals wie heute ein Problem.

Folie: Schlesien 1866

Folie: Feldgottesdienst heute, 2007

Folie: Gremler / Ziegner

Folie: Gottesdienst Dom

Zu den Aufgaben der Feldgeistlichen

Jede sich bietende Gelegenheit versuchen die Feldgeistlichen zu nutzen, um zu Beginn des Krieges 1866 Gottesdienste mit den Soldaten zu feiern. Doch der Feldzug läßt dazu während des Vormarsches wenig Zeit. Mit großer Geschwindigkeit gehen die preußischen Truppen in Böhmen vor bis zur Waffenruhe von Wien und Preßburg. Auch während der Kampfhandlungen zwischen dem 22. Juni und 22. Juli 1866 gibt es kaum Ruhepausen. Im Bereich der Mainarmee sieht es ähnlich aus. Die die Truppen begleitenden Feldgeistlichen fragen sich nach dem Sinn ihres Dabeiseins. Sie kommen über das Vorbereiten von Gottesdiensten nicht hinaus. Von den Feldgeistlichen wird Verständnis dafür erwartet, dass die wenigen Ruhephasen nicht durch Gottesdienst noch verkürzt werden. Manche ältere Kommandeure nutzen diese wenigen Gelegenheiten dennoch für Gottesdienste, die wegen der gebotenen Kürze allerdings mehr einer Andacht gleichen.

Folie: Schlacht bei Königsgrätz 3.7.1866

Einschub: Mein Ur-, Ur-Großvater väterlicherserseits hat als Fuhrunternehmer für den Krieg 1866 in Königsgrätz von Erfurt aus die Verpflegung für die Preußischen Truppen mit gefahren. Auf dem Rückweg hat er Kohlen aus Böhmen für die Erfurter Bevölkerung mitgebracht.

Folie: Oberpfarrer Marine 1889

Folie: Koppelschloss I. WK

Die Nachwirkungen bis heute: Gott mit uns. In einer Erfurter Kirche wollte ich mit Soldaten einen Gottesdienst feiern. Das Ansinnen wurde durch den GKR abgelehnt, unter anderem mit der Begründung: Auf dem Koppelschloss steht immer noch: Gott mit uns.

3. Reich

Folie: Koppelschloss mit Hakenkreuz

Während des 2. Weltkrieges wurden neben Geistlichen auch Zivilisten in die Wehrmachtsseelsorge aufgenommen. Auf den Befehl Görings hin gab es in der Luftwaffe keine Militärseelsorge. Auf Befehl Hitlers durfte ab 1942 überhaupt kein Kriegspfarrer mehr ernannt werden.

Folie: Russland Feldzug

Folie:   Bestattung Winter 1941

Über die Militärseelsorge im 3. Reich findet man kaum Material. Ein Bereich der noch auf eine umfassende Aufarbeitung wartet.

Mit Gründung der DDR und dem späteren Aufbau der Nationalen Volksarmee wurde keine Militärseelsorge bis 1989 zugelassen. Ich hätte schon gern einen Militärseelsorger im Grundwehrdienst gehabt: 1 ½ Jahre Wehrpflicht, 18 Mann auf der Bude und 18 Tage insgesamt Urlaub. Jedoch konnte ich immer zum Gottesdienst am Sonntag gehen, da ich anschließend Theologie studieren wollte. Damit konnten die Offizieren nichts anfangen und sind dem Problem aus dem Weg gegangen, in dem sie mich Sonntags in die Kirche gehen lassen haben.

Im Gegensatz zum damaligen „Klassenfeind“, der Bundesrepublik Deutschland, wurde mit Gründung der Bundeswehr 1957 zeitgleich mit der Kirche ein Militärseelsorgevertrag unterzeichnet. 2004 sind die östlichen Bundesländer dem dann auch nach jahrelangen Debatten diesem Vertrag beigetreten.

Folie: Unterschrift Militärseelsorgevertrag

Dazu dann mehr von meinem Katholischen Kollegen.

Abschließend noch eine kleine Begebenheit aus der Zusammenarbeit zwischen der Militärseelsorge und der Bundeswehr:

Die „Cramm`sche Glocke“ – Wahrzeichen der Blücher Kaserne in Hessisch-Lichtenau seit 1976

heute: Wahrzeichen der Friedensteinkaserne Gotha (seit November 2006)

Folie: Glocke Gotha

Ich zitiere aus den Aufzeichnungen von Herrn Cramm: „Unsere paar – monatlich stattfindenden Standortgottesdienste hielten wir in der Ortskirche in Hessisch Lichtenau ab. Hierzu mußten unsere beiden Bataillone, das Panzeraufklärungsbataillon 2, wie auch das Ausbildungsbataillon „VP PzBtI 154“ etwa 20 Minuten Anmarsch zum Gotteshaus hinter sich bringen, was an sich nicht schlimm war.  Es konnte durchaus vorkommen, daß die Bataillone vor der Kirche standen und der Schlüssel nicht vorhanden oder der Organist nicht erschienen war. Das Tüpfelchen aufs „i“ meiner Vergrämung war folgende Begebenheit:

Eines Tages: Militärpfarrer v. Knebel hatte sich nicht nur verspätet, sondern erschien überhaupt nicht zum angesetzten Gottesdienst. Die Kirche war gefüllt mit Soldaten.

Nachdem wir lange aber vergeblich auf unseren Militärpfarrer und damit den Beginn des Gottesdienstes gewartet hatten, erhob ich mich und verkündete der Soldatengemeinde und dem Organisten, wir singen nun ( mein Lieblingslied aus Kindertagen) „Jesus geh voran“. Wir sangen; ich betet sodann mit den Soldaten ein „Vater Unser“. Nach einer weiteren Strophe marschierten wir wieder in dir Kaserne zurück. Am nächsten Tag rief mich der Propst an und machte mir herbe Vorwürfe wegen meines Verhaltens und meinte, wir hätten ja einen der Ortspfarrer bitten können, den Gottesdienst zu halten. Damit stand mein Entschluß fest, nämlich in die militärseelsorgerische Selbständigkeit zu gehen. Im Standort Augustdorf war eine  Glocke überflüssig geworden, der Glockenturm abgerissen, und die Glocke stand auf dem Rasen vor dem Brigadestabsgebäude herum. Daran erinnerte ich mich.  Am nächsten Tage rollte bereits ein 7-Tonner-LKW von Hessisch Lichtenau nach Augustdorf und holte die schöne Glocke. Unser Pionierzug errichtete einen Glockenturm in der Kaserne, in welchem die Glocke aufgehängt wurde und die Soldaten künftig zur Andacht rief. Nachdem der Standort 2006 geschlossen wurde, holte der Kommandeur von Gotha sich die Glocke und stellte diese sichtbar im Eingangsbereich der Kaserne auf. Hier feiern wir heute unsere Soldatengottesdienste.

Folie:  GD am Glockenturm

Darüber hinaus gibt es in meinen Standorten eine sehr gute Zusammenarbeit zwischen der Militärseelsorge und der Bundeswehr. Gemeinsam gestalten wir z.B. Rüstzeiten.

Folie: Rüstzeit in Berlin, 2007

Oder der Militärseelsorger wird gebeten einen Vortrag zu politischen Bildung im Kloster zuhalten.

Folie: Kloster Werningshausen

Der Militärseelsorger ist auch jederzeit ansprechbar und eigentlich ständig in Gesprächen mit Soldaten.

Folie: Gruppengespräch mit Militärpfarrer

Folie: Milseelsorger im Büro

Das waren die Schlaglichter.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Literatur aus:
„Ein Kriegesmann und guter Christ…“, Historische Skizzen aus der Soldatenseelsorge, Lutherisches Verlagshaus
Bilder und Texte aus der Soldatenseelsorge 1550 – 1945, EKA Bonn

(Vortrag wurde nach den damaligen Stichworten und Erinnerungen 2019 aufgeschrieben.)